Schussfahrt
weiter. Sie hatten auch begonnen,
High-Performance-Skiunterwäsche zu produzieren.
Wenn SAF mit Martl im Gespräch war, dann ging
es um viel Geld. Und um ein absolut sauberes Sportlerimage. Einer, der alternde
Society-Schlampen beglückte, passte da jedenfalls nicht ins Bild. Jo war
alarmiert.
»Weißt du was
Genaueres?« Jos depressive Stimmung war einer Anspannung gewichen.
»Na, au it, bloß,
dass es dem Martl meh arg wichtig gsi isch.«
Jos Gedanken
überschlugen sich. Sicher war ihm das wichtig gewesen. Aber das alles sprach
erst recht nicht für Martl. Wenn er wirklich so verzweifelt gewesen war,
Rümmele zu ermorden, um an den Vertrag zu kommen?
Sie schaute Karl an.
»Karl, wenn er bei dir auftaucht oder anruft, bitte mach ihm klar, dass er sich
bei der Polizei melden muss.«
»Sichr, Mädle. Aber
i ka des it glauba. Der Martl isch amol unbeherrscht, der kennt au in a
Schlägerei nei groata, aber dass so uiner schiaßt? Na!« Er schüttelte den Kopf.
»Ich will das auch
nicht glauben. Aber wenn es eine andere Erklärung gibt, dann macht er es mit
seiner Flucht auch nicht besser.«
Der Karl nickte.
»Abhaua isch immer des Dümmschte. Du kommsch dir sealbr it aus. Du hosch di
immer dabei, iberall auf dr Welt.«
Jo verabschiedete
sich, der Karl hielt ihre Hand lange fest. »Glaub an d lieba Herrgott, der hot
no alls gricht.«
Das hätte Jo nur zu
gern geglaubt, dass der liebe Herrgott es richten würde. Aber der liebe
Herrgott ließ jedes Zeichen vermissen. Nichts, was ihr den Weg gewiesen hätte.
Kein Komet, kein himmlisches Leuchtfeuer. Sie sah auf die Uhr. Es war fünf. Um
diese Zeit ungefähr war vor einer Woche Rümmele ermordet worden. Und sie kannte
wahrscheinlich den Mörder. Sie musste Gerhard anrufen und fragen, was Marcel
ausgesagt hatte. Und auch wenn sie sich dafür schämte, irgendwie war ihr der
Gedanke, dass Marcel es gewesen war, der liebere. Gerhard hatte schon Recht
gehabt, sie würde wirklich lieber Marcel opfern.
Was für ein
Wahnsinn! Und welche Dummheit, auch noch Gerhard zu vergrätzen. Sie benahm sich
wie die Wutz im Walde, wie ein rotznasiges Trotzkind.
Gerhard war ein
Schatz, aber wenn bei ihm der Ofen aus war, dann endgültig. Es dauerte ewig,
ihn wirklich zu verärgern, aber Jo kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass
Gerhards Toleranz erschöpft war. Sie hielt sich zurück, überstürzt zum Handy zu
greifen und wieder mal eine unüberlegte Wortsalve abzufeuern. Sie wollte es
diesmal richtig machen.
Jo war voller
widerstrebender Gefühle nach Hause gefahren. Sie sank auf den einzigen freien
Küchenstuhl und begann, Strichmännchen auf ein Stück Papier zu krakeln. Nicht lange, denn Frau Mümmelmeier sprang hoch, sah Jo kurz in die Augen und fing an,
den Stift über den Tisch zu treiben. Die Katzendame suchte sich ihre Spielzeuge
immer selbst. Stifte versenken war eines ihrer Lieblingsspiele. Diesen
versenkte sie unter einem Zeitungsstapel, und weil sie ihn da trotz fliegender
Fetzen nicht mehr rausbekam, ging der Punkt an den Papierstapel. Beleidigt
kehrte sie zurück, plumpste auf Jos Krakelpapier und popelte sich akribisch
Kletten zwischen den Krallen heraus. Die legte sie säuberlich vor Jo ab –
Katzen sind reinliche Tiere. Moebius verfolgte das Schauspiel nur aus dem
Augenwinkel. Er hatte sich wieder mal auf dem Heizkörper an der Wand
entlangmodelliert, hingegossen zu beachtlicher Länge. Jo fragte sich jedes Mal,
wie ein dickes, puscheliges Tier auf so einem schmalen Heizkörper Platz finden
konnte. Moebius konnte.
Sie sah den beiden
zu und versuchte, Ordnung in ihre Gedankenfetzen zu bringen. Wenn Martl wirklich
einen Vertrag mit SAF machen
wollte, der ihm so wichtig gewesen war, musste es um viel Geld gehen.
Lederstrumpf-Reiber würde ihr wahrscheinlich jetzt sagen, dass Geld das beste
Motiv sei. Gerhard würde da ausnahmsweise mit ihm einig sein: Der Mörder ist
immer der Skifahrer! Hatte sie wirklich nicht nur einen gewissenlosen
Narzissten geliebt, sondern auch einen Mörder?
Irgendwie schienen
in ihrem Hirn nur wenige Synapsen zu arbeiten. Immer die gleichen
Verbindungsstücke, nichts Neues im neuralen Netz.
Das Telefon riss sie
aus ihren Betrachtungen. Gerhard war ihr zuvorgekommen. »Da du mich sowieso
löchern wirst: Marcel war tatsächlich wegen eines Interviews im Tal, und in
seiner Tagesbiographie fehlen gut eineinhalb Stunden. Da will er spazieren
gegangen sein, weil er angeblich das Dämmerlicht so schön findet. An der
Skipiste entlang.«
»Das
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