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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Apotheke.«
    Sander, der gelangweilt Muster auf einen Zeitungsrand
gemalt hatte, wurde hellwach. »Sie halten es also für denkbar, dass Klinsmann mit
in der Sache drinsteckt?«
    »Um Gottes willen«, kam es zurück, »bloß keine
Schlagzeile. Fangen Sie jetzt bloß nicht auch noch damit an. Mir reicht’s, wenn
der Bruhn langsam Amok läuft.«
     
    Häberle hatte das Gespräch mit Sander schnell beendet und eine angebliche
Besprechung vorgeschoben. In Wirklichkeit aber wollte der Kriminalist in aller Ruhe
die Notizen durchgehen, die er sich bei dem Telefonat mit diesem Ministerialdirektor
gemacht hatte. Seit ihm klar geworden war, dass sich sogar höchste politische Stellen
für die drei Verbrechen in der Provinz zu interessieren begannen, versuchte er,
sich die Hintergründe auszumalen. Doch es wollte sich kein schlüssiges Bild ergeben.
Dieser Harald Gangolf hatte sich als Vorsitzender irgendeiner Sponsorgesellschaft
ausgegeben, deren Anliegen es sei, ein positives Umfeld für die Fußballweltmeisterschaft
zu schaffen. Häberle las einige wörtliche Zitate, die er hastig auf einen Block
geschmiert hatte: ›Rücksicht auf Belange der Sponsoren‹ – oder ›Aufsehen vermeiden‹.
Er lehnte sich an seinem Schreibtisch zurück und entschied, diese Formulierungen
in den Computer zu tippen. Häberle wurde den Eindruck nicht mehr los, dass ihm dieser
Ministerialdirektor eher indirekt etwas hatte sagen wollen. Einen dieser Sätze,
die so doppeldeutig klangen, schrieb der Kriminalist zuerst auf die leere Dokumentvorlage
des Bildschirms: ›Was man auch immer erfährt, man sollte Augenmaß bewahren‹. Und
noch eine Formulierung hatte Häberle wortwörtlich notiert: ›Manchmal sieht etwas
kriminell aus, obwohl es der Allgemeinheit dient‹. Politiker-Geschwätz oder eine
versteckte Warnung? Häberle war lange genug in diesem Geschäft, um die vielen Versuche
der Einflussnahme auf seine Arbeit zu kennen. Je höher die Interessengruppen angesiedelt
waren, desto verklausulierter wurde ihm zu verstehen gegeben, von manchen Dingen
die Finger wegzulassen. Gangolf hatte abschließend sogar eher beiläufig erwähnt,
dass Bundesinnenminister Schily als oberster Sportpolitiker in der Republik alles
dazu beitragen werde, sämtliche Störungsversuche der Weltmeisterschaft im Keim zu
ersticken. Was wollte ihm das sagen? Galt er, Häberle, auch bereits als Störenfried?
Oder machte er sich einfach viel zu viel Gedanken? Der Stress der vergangenen Tage
nagte an seinen Nerven. Wann hatte er zuletzt einen Fall mit gleich vier Toten gehabt?
Die Stimmen der Kollegen der Sonderkommission drangen dumpf aus dem Nebenraum herüber.
Inzwischen hatten die Männer unzählige Personen vernommen, waren bei den Vereinen
im Eybacher Tal draußen gewesen, hatten den Freundes- und Bekanntenkreis aller Opfer
durchleuchtet und die privaten Unterlagen von Heimerle und Lanski ausgewertet, ohne
dass es konkrete Spuren gegeben hätte. Häberle war tief in Gedanken versunken, als
mit einem Ruck die Tür in das kleine Büro aufgerissen wurde und Bruhn hereinstürmte.
»Ich muss sagen, wie die Sache hier läuft, das gefällt mir nicht«, knurrte er, während
er sich setzte und ein Bein übers andere legte. Sein Gesichtsausdruck war wie immer
energisch. Häberle blieb gelassen und erwiderte nichts. »Wir haben vier Tote, viel
Aufsehen – und können keinerlei
Erfolg vermelden«, stellte der Chef aus Göppingen fest. »Der Staatsanwalt fragt
dauernd nach, diese Medienheinis von überall her sowieso – und auch das Innenministerium
wird nervös. Und dann dieser Schmonzens, den die Käsblätter verzapfen! Klinsmann
in Gefahr, was weiß ich – womöglich der Confed-Cup oder wie das Zeug da heißt. Schon
wird der Niedergang des deutschen Fußballs herbeigeredet.«
    Aha, dachte Häberle, daher weht der Wind. Der
Chef fühlte sich von allen Seiten unter Beschuss. Das konnte Bruhn erfahrungsgemäß
überhaupt nicht ertragen. Er lebte in der permanenten Angst, angreifbar zu sein.
Vor allem, wenn die Gegner in den Reihen der Politiker lauerten. Oder wenn die Medien
etwas berichteten, was ihm zuwiderlief – wozu es nicht sehr vieler Artikel bedurfte. Häberle hatte noch immer
nichts gesagt. Bruhn würde seinen Frust abladen wollen und irgendwann ohnehin aufstehen
und wortlos gehen. Häberle rätselte jedoch, weshalb er so unangekündigt aufgetaucht
war. Ungefragt gab Bruhn die Antwort selbst. »Jetzt kann ich beim Ziegler antanzen,
um mich zum Kasper machen zu lassen

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