Schusslinie
Fragen auf. Den Beamten der Notrufzentrale Ravensburg,
die ihn noch einmal auf seinem Handy angerufen hatten, um sich nach dem Grund seines
abgebrochenen Gesprächs zu erkundigen, hatte er glaubhaft versichert, er habe nur
die falsche Taste gedrückt. Riegert wollte unter keinen Umständen seine Frau in
Gefahr bringen. Vermutlich hätten die Streifen am Dienstagabend den schwarzen BMW
noch ausfindig machen können – aber dann? Riegert dachte an Heimerle und Funke,
die möglicherweise seinetwegen ermordet worden waren. Mittlerweile bestand für ihn
kein Zweifel mehr, dass er in eine internationale Bande hineingeraten war. Er wusste
nur noch nicht, worum es dabei ging. Aber bei allem, was er selbst erfahren hatte,
schien es lebensgefährlich zu sein, sich mit ihr anzulegen. Das Vorgehen musste
wohlüberlegt sein. Deshalb wollte er in Ruhe mit dem Chef-Ermittler selbst reden
– mit Häberle, den er noch aus früheren Zeiten her kannte, als sie Kollegen waren.
Er hatte ihn an diesem Freitagvormittag angerufen
und um einen Gesprächstermin gebeten. Der wurde ihm auch sofort erteilt, sodass
er um die Mittagszeit in Häberles kleinem Büro saß.
»Herzlich willkommen, Kollege«, begrüßte ihn
der Kommissar und übertrieb grinsend die Höflichkeit, »es ist mir eine Ehre, einen
Abgeordneten begrüßen zu dürfen.«
»Machen Sie halb lang«, lächelte Riegert, während
sie sich an den kleinen Besprechungstisch setzten. »Ich möcht Sie auch nicht allzu
lange aufhalten. Aber dieser Fall mit den drei Toten geht mir sehr nahe. Denn möglicherweise
haben Heimerle und Funke meinetwegen sterben müssen.«
Häberles Miene versteinerte sich.
Dann begann Riegert von Heimerles Anruf zu
berichten und dass sie sich hätten treffen wollen, weil Lanski offenbar etwas Geheimes
und Unglaubliches erzählt habe. »Ich Idiot hab das beiläufig in Berlin einer Frau
erzählt, mit der so ein Ministerialdirektor ein Techtelmechtel hat. Gangolf vom
Wirtschaftsministerium …« Riegert schilderte
die Zusammenhänge, während Häberle sich nun auf einem Blatt Papier Notizen machte.
»Dieser Gangolf«, erklärte der Abgeordnete schließlich, »der scheint auf seltsame
Weise Kontakte zu Nullenbruchs Firma zu haben. Das hat mir dieser Unternehmer Pfisterer
aus Grunbach angedeutet, ohne aber genauer darauf eingehen zu wollen.« Riegert schilderte
auch, dass es wohl eine große Sponsoring-Gesellschaft gebe, deren Fäden bei Nullenbruch
zusammenlaufen müssten. Und er erwähnte Liebenstein, der offenbar derzeit in Baden-Württemberg
unterwegs sei, um angeblich die Akzeptanz der Fußballweltmeisterschaft zu überprüfen.
Häberle hörte sich alles in Ruhe an. Ein guter
Zeuge, dachte er, als Riegert auf den Mann zu sprechen kam, der zu ihm ins Auto
gestiegen war und ihn bedroht hatte. Mit diesen Angaben würde sich ein Phantombild
anfertigen lassen.
»Der BMW«, so beendete Riegert seine Aussage,
»ist übrigens auf Europcar zugelassen. Das hat mir ein Kollege vom LKA bereits abgecheckt.
Ich nehm aber an, dass die Täter den Wagen kaum unter ihrem richtigen Namen gemietet
haben.«
»Kollege«, lächelte Häberle, als sei ihm ein
großer Stein vom Herzen genommen worden, »ich glaube, Sie haben uns ganz entscheidend
weitergeholfen.« Der Kommissar verschränkte die Arme vor dem wieder mal viel zu
engen Hemd. »Schade nur, dass Sie erst jetzt kommen.«
»Manchmal macht es einen Unterschied, ob man
Polizist ist oder als Betroffener mitten in so einer Sache drinsteckt.« Der Abgeordnete
holte tief Luft. Auf seiner Stirn hatte sich Schweiß gebildet. »Ich bin mir noch
immer nicht im Klaren, ob es richtig ist, was ich jetzt getan habe. Den Slowaken
ist alles zuzutrauen, glauben Sie mir das. Ich möcht auf gar keinen Fall, dass etwas
von dem, was ich Ihnen gesagt habe, an die Öffentlichkeit dringt.« Er sah Häberle
fest in die Augen. »Ich hab Angst. Ja, ich hab wirklich Angst. Um meine Frau und
um mich.«
Häberle schwieg für einen Augenblick, wollte
dann aber noch eine Frage nachschieben: »Sie sind selbst Kriminalist, Herr Riegert.
Was ist Ihr Eindruck – was steht hinter all dem?«
»Das überleg ich mir schon dauernd hin und
her. Es muss ein großes Ding sein. Und es hat mit Sport zu tun – vermutlich mit
Fußball.«
»Auch mit Klinsmann?«, fragte Häberle ruhig.
Riegert zuckte mit den Schultern. »Ich hoffe
nicht.«
43
Liebenstein wohnte noch immer im Hotel ›Hohenstaufen‹. Gangolf hatte
darauf gedrängt, dass er weiterhin vor
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