Schusslinie
dein Geld.«
»Um das allein geht’s doch gar nicht«, konterte
Nullenbruch und ballte die Fäuste. »Ich werde diese verdammte Stadt nicht eher verlassen,
bis ich weiß, was hier gespielt wird. Keine Sekunde vorher.« Er machte einen energischen
Schritt zur Tür. »Ich hoffe, dir ist klar, dass du Gelder veruntreut hast. Und das
ist auch in der Slowakei kein Kavaliersdelikt.« Die Stimme nahm einen drohenden
Unterton an. »Mein lieber Freund, wenn du mir nicht bis heut Abend um 22 Uhr klaren
Wein einschenkst, zeig ich dich morgen früh hier bei der Polizei an.«
Jano verschränkte stehend die Arme vor seiner
Brust. »Ich bin mir sicher, dass du das nicht tun wirst«, entgegnete er jetzt wieder
gelassen. »Wie willst du denn gegenüber den deutschen Behörden die Herkunft des
Geldes erklären? Und
die große Sache? Will you stop it? You cannot do it.«
Nullenbruch blieb wie vom Blitz getroffen stehen.
Jano hatte Recht. Da gab es nichts mehr zu stoppen, ohne dass ein Skandal gigantischen
Ausmaßes ausgelöst würde – mit einer Eigendynamik, deren Folgen unvorhersehbar wären.
Er blieb trotzdem hart. »Heut Abend um zehn«,
sagte er mit fester Stimme, »und meinetwegen bring den Pit mit. Ich erwarte euch
bei mir draußen.« Jano kannte Nullenbruchs nahezu fertig gestelltes Firmengebäude
am Stadtrand. Gerade war zwar der Innenausbau erst in vollem Gange, doch hatte Nullenbruch
bereits bei seinem letzten Besuch vor vier Monaten das Chefbüro provisorisch einrichten
können. Damals hatten sie – er und Jano – die Sektkorken knallen lassen und ihre
gemeinsame geschäftliche Zukunft besiegelt. Dass sie sich einmal unter ganz anderen
Vorzeichen treffen würden, hätte er nie für möglich gehalten.
»Und lass mich ja nicht warten«, drohte Nullenbruch
und verschwand aus dem Büro. Jano schaute auf seine Armbanduhr. Es war 18.30 Uhr.
15
Liebenstein war geschockt. Sofort nach dem endlosen Gespräch mit Rambusch
hatte er sich in Aalen auf eine noch feuchte Parkbank gesetzt und Harald Gangolf
in Berlin angerufen. Dessen ursprüngliche Bitte, sich noch in Göppingen im Umfeld
des Abgeordneten Klaus Riegert umzuhören, war inzwischen von den Ereignissen überrollt
worden.
»Was heißt verschwunden?«, fragte Liebenstein
zurück, nachdem er die Nachricht verdaut hatte. Er beobachtete zwei Tauben, die
sich vor ihm um ein weggeworfenes Brötchen zankten.
»Er meldet sich nicht. Seine Frau ist in großer
Sorge«, erklärte Gangolf.
»Was ist mit seinem Handy?«, fragte Liebenstein
so leise, wie möglich, um die Passanten um ihn herum nicht auf sein Gespräch aufmerksam
werden zu lassen.
»Nichts – abgeschaltet«, kam es zurück. »Er
ist wie vom Erdboden verschluckt.«
»Und seine Frau? Haben Sie schon mit ihr gesprochen?«
»Natürlich. Sie ist in allergrößter Sorge,
sag ich doch«, kam es zurück, »ihr Mann hat sich bisher von jeder Dienstreise täglich
mehrmals gemeldet.«
Liebenstein kniff die Augen zusammen.
»Und jetzt?«
»Sie hat ihn als vermisst gemeldet.«
»Bei der Polizei?«, fragte Liebenstein mit
einer Mischung aus Erstaunen und Sorge über die Konsequenzen, die dies nachziehen
würde.
»Natürlich«, erwiderte Gangolf verärgert, »wo
denn sonst? Das Schlimmste ist, dass er wohl Akten bei sich hatte. Ich weiß zwar
nicht, welcher Art, aber seine Frau sagt, er sei mit dem Aktenkoffer unterwegs.
Er war gestern in Stuttgart – bei diesem Treffen, verstehen Sie? Wir müssen unbedingt
rauskriegen, was er danach getan hat.«
»Weder Beierlein noch Rambusch haben mir von
etwas Außergewöhnlichem berichtet. Lanski scheint sich absolut normal verhalten
zu haben«, erklärte Liebenstein.
»Das mag sein«, knurrte die energische Männerstimme,
»Fakt ist aber, dass etwas geschehen sein muss. Und ich sage Ihnen: Wenn dabei Akten
verschwunden sind mit Namen und Daten, dann droht uns ein Skandal ungeahnten Ausmaßes.
Dann werden Köpfe rollen, verstehen Sie?« Er überlegte. »Deshalb werden Sie sich
da unten jetzt umhören.« Gangolf wurde lauter. »Ich erwarte, dass Sie alle Hebel
in Bewegung setzen. Alle. Haben wir uns verstanden?«
Die abendliche Dämmerung machte sich in der Slowakei schneller bemerkbar,
als im annähernd zwölfhundert Kilometer westlicher gelegenen Deutschland. Martin
Striebel und Rainer Kromer hatten am frühen Nachmittag nur kurz mit Matthias Nullenbruch
sprechen können, nachdem dieser in Košice angekommen war. Danach war er mit dem
Taxi in die Baustoffhandlung
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