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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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nachdenken. Was meinst
du, Nulli, wie die Betriebsräte und Gewerkschaften dir zu Füßen liegen. Ruckzuck
kannst du Kürzungen vornehmen und jährlich Hunderttausende sparen.« Der junge Mann
hatte zur Erheiterung der ganzen Runde noch angefügt: »Und schon hast du wieder
eine neue Jacht.«
    Daran musste Nullenbruch denken, als er in
der Dämmerung vor dem mannshohen Eisengittertor aus dem Taxi stieg. Er reichte dem
Fahrer die geforderten Kronen und war vom Anblick seines Betriebsgebäudes erfreut,
dessen zweistöckige Fassade mit viel Glas und Aluminium den Stil der Jahrtausendwende
repräsentierte. Auf dem gepflasterten Hof standen Paletten mit Baumaterial, das
in Folie geschweißt war. Der Innenausbau hatte offenbar seit Nullenbruchs letztem
Besuch vor einem Vierteljahr deutliche Fortschritte gemacht. Jetzt aber, zu dieser
Abendstunde, herrschte Ruhe. Nur von einem der umliegenden Betriebsgebäude drangen
Maschinengeräusche herüber.
    Der Unternehmer fingerte einen Schlüsselbund
aus dem Jackett und aktivierte mit einem kleinen Schlüssel die Automatik, die das
breite, stählerne Tor zur Seite rollen ließ. Er stoppte es sofort wieder, nachdem
es ihm den Durchgang ermöglichte. Ohne es zu schließen, schritt Nullenbruch über
die weite Fläche des Vorplatzes, schaute an der Fassade zu den dunklen, blau umrandeten
Fenstern hinauf und genoss das Gefühl, Chef dieser neuen Produktionsstätte zu sein.
Er erreichte den seitlich angeordneten Haupteingang, dessen großzügige Alu-Glaskonstruktion
jedem Besucher künftig schon rein optisch einen Hauch von Weltunternehmen suggerieren
würde. Nullenbruch schloss die Eingangstür auf und betrat das geräumige Foyer, dessen
Marmorfliesen das letzte Licht des Tages diffus spiegelten.
    Er ließ die schwere Alutür hinter sich sanft
ins Schloss rasten und überlegte für einen Moment, wo sich die Lichtschalter befanden.
Dass er bisher nur tagsüber da gewesen war und dann auch meist in Begleitung des
Architekten oder seines Produktionsmanagers, wurde ihm nun schmerzhaft bewusst.
Viel zu wenig hatte er sich mit der Technik auseinander gesetzt. In der Dämmerung
entdeckte er schließlich abseits der Tür einige Schalter, die er nacheinander betätigte,
worauf überall an den marmornen Wänden und Säulen Halogenlampen erstrahlten. Alles
roch neu und frisch, nach Farbe und Kleber.
    Nullenbruch blieb für einen Augenblick stehen
und sah sich um. Das Foyer wirkte repräsentativ, dachte er und ließ seinen Blick
über die geschwungene Empfangstheke gleiten, auf der Pakete und Werkzeuge lagen.
Noch fehlte das Mobiliar. Die blauen Türen, die in den Produktionsbereich hinausführten,
hoben sich kontrastreich von den weißen Rauputz-Wänden ab. Nullenbruch wandte sich
einer breiten Wendeltreppe zu, die das Erdgeschoss mit den darüber liegenden Büros
verband. Als er hinaufstieg und über sich die große, dunkle Rundung erkannte, in
die die Treppe mündete, wurde ihm erneut bewusst, wie wenig er sich allein zurechtfand.
Er versuchte krampfhaft, sich an die Anordnung der Lichtschalter im Obergeschoss
zu entsinnen, während seine Schritte auf den Steinstufen durch die Stille des Gebäudes
hallten. Als er die halbe Höhe erklommen und eine ganze Umdrehung auf der Wendeltreppe
absolviert hatte, genoss er noch einmal das Gefühl, Eigentümer dieses nagelneuen
Gebäudes zu sein. Er blieb für einen Augenblick stehen, umklammerte das kühle Edelstahlgeländer
und ließ den Anblick des Empfangsbereichs auf sich wirken – die geschwungenen Formen,
die eleganten Lampen an den Wänden, den sündhaft teuren Marmorfußboden. Doch da
war etwas, das ihm beim Betreten des Foyers nicht aufgefallen war. Hatte er es vorhin
übersehen? Die dritte Tür in dem nach hinten oval verlaufenden Raum stand einen
Spalt weit offen. Nicht viel, aber weit genug, um es zu erkennen. Dahinter war es
dunkel, denn der schmale Spalt, der sich zwischen Tür und Rahmen auftat, wirkte
schwarz. Nullenbruch zögerte. Er war sich ziemlich sicher, alle Türen im Blickfeld
gehabt zu haben. Wieso, verdammt nochmal, hatte er nicht bemerkt, dass eine davon
ein Stück weit offen stand? Er verharrte, umklammerte das Geländer noch fester und
spürte ein flaues Gefühl im Magen. Seine Augen hingen wie gebannt an dieser Tür.
Seine Knie wurden weich, er fühlte sich außerstande, auch nur eine einzige Stufe
weiter zu gehen. Gänsehaut kroch über seinen Rücken, ihm war, als richteten sich
die Nackenhaare auf. Denn von oben, aus der

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