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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Etage zu hören sein musste. Sie hasste es, derart
die Beherrschung zu verlieren. Andererseits konnte es aber nichts schaden, wenn
die Belegschaft eine gewisse Furcht vor ihr hatte.
    Sie drehte sich um und hastete davon. Dann
sank sie, erschöpft von dem cholerischen Anfall, auf ihren Bürosessel und spürte
einen leichten Anflug von Migräne. Sie atmete tief durch, schaute durchs Fenster
zu dem grauen Himmel hinauf, der ganz und gar nicht dazu geeignet war, ihre Depressionen
verschwinden zu lassen.
    Sie brauchte dringend Urlaub. Nachdem sie sich
wieder einigermaßen beruhigt hatte, drückte sie am Telefon mehr als ein Dutzend
Tasten. Es war eine Nummer mit französischer Auslandsvorwahl.

21
     
    Der Anwalt war korpulent und hatte einen astreinen Glatzkopf. Ein Jurist,
der ein Leben lang nur über Gesetzesbüchern gebrütet und sich die Haare gerauft
hat, dachte Häberle, als er ihn und seinen Mandanten Stefan Beierlein begrüßte und
in eines der kleinen Besprechungszimmer führte. Nachdem die beiden Besucher über
die chaotischen Verkehrsverhältnisse auf der Bundesstraße 10 geklagt hatten, deretwegen
sie eine halbe Stunde zu spät gekommen seien, erklärte der Kommissar kurz und bündig,
dass er eigentlich nur die Liste all jener Personen wolle, die am Montagnachmittag
an dem Stuttgarter Meeting teilgenommen hätten. Dazu hätte es der weiten Anfahrt
in die Provinz nicht bedurft, doch habe Herr Beierlein gestern Abend darauf bestanden,
einen Anwalt hinzuziehen zu dürfen.
    »Das ist sein gutes Recht«, ereiferte sich
der Jurist, der sicher einer großen Stuttgarter Kanzlei angehörte, überlegte Häberle.
»Es geht um Persönlichkeitsrechte, müssen Sie verstehen, um Geschäftspartner, die
alles andere als erfreut wären, in ein Kapitalverbrechen hineingezogen zu werden.
Außerdem …« Er räusperte
sich diskret und verzog die strengen Mundwinkel zu einem Lächeln, »… außerdem könnte
es manchen der Herrschaften vielleicht gar nicht so angenehm sein, wenn die Dauer
ihres Aufenthalts in Stuttgart oder sagen wir besser, ihres geschäftlichen Aufenthalts
allzu sehr publik würde.«
    Aha, grinste Häberle in sich hinein, daher
weht der Wind. Ein Männerclub mit ganz anderen Absichten.
    »Ich darf Ihnen versichern, dass wir die Privatsphäre
all Ihrer Kunden wahren werden«, versprach der Kommissar. Er wäre der Letzte, der
dafür kein Verständnis hätte. »Also, kommen wir einfach zur Sache. Wer sind diese
Herrschaften?«
    Beierlein saß verkrampft auf dem Besucherstuhl,
während sein Anwalt einen Schnellhefter aus dem Aktenkoffer zog und die Papiere
auf den Tisch legte. »Wir haben alles wunschgemäß aufgelistet«, sagte er trocken.
»Alphabetisch. Es sind zehn Personen da gewesen, ohne Ausnahme integre Leute. Aus
halb Europa.«
    »Wohl alles Sportartikelgroßhändler …«, vermutete der Kommissar.
    Beierleins Gesicht versteinerte sich. Doch
sein Rechtsbeistand tat so, als ob ihn diese Bemerkung nicht aus dem Konzept bringen
konnte. »In diesem Fall ist das nicht so«, erwiderte er, »es sind hochrangige Personen,
die mehr oder weniger ehrenamtlich im Dienste des Internationalen Fußballbundes
stehen. Die Herrschaften gehen aber alle ihren Berufen nach.« Der Anwalt sprach
mit wohl formulierten Sätzen. »Sie gehören der gehobenen sozialen Schicht an, um
es mal so zu sagen.«
    »Was heißt das, sie sind mehr oder weniger
ehrenamtlich im Dienste des Internationalen Fußballbundes?«
    Beierlein sank in sich zusammen und mied den
Blickkontakt zum Kommissar. Sein Anwalt hingegen versprühte Zuversicht und Optimismus,
verzog sein rundliches Gesicht zu einem breiten Grinsen und erklärte: »Es sind die
wichtigsten Männer auf dem Platz. Zuverlässig, couragiert, entscheidungsfreudig
– mit einem Durchsetzungsvermögen, welches wir uns in der Politik wünschen würden.«
    Häberle wartete gespannt auf die Erklärung.
»Profi-Fußball ist ein hartes Geschäft. Wo’s um Millionen geht, ist Durchsetzungsvermögen
notwendig«, zeigte er Verständnis.
    »Wir verstehen uns«, stellte der Anwalt zufrieden
fest, während sein Mandant noch immer schwieg.
    »Und welcher Art sind nun die ehrenamtlichen
Dienste …?«
    Häberle ließ sich seine Ungeduld nicht anmerken.
    »Die Herren sind Schiedsrichter – und sie pfeifen
in den höchsten Klassen«, erklärte der Jurist und schob den Schnellhefter mit den
Aufstellungen über den Tisch zu Häberle hinüber. »Die am schlechtesten verdienenden
Akteure auf dem Spielfeld.

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