Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
kritzelte sie sich auf einen Zettel, stopfte den in seine hintere Hosentasche und schnappte sich seine Jacke.
Vielleicht hatte die Apothekerin recht und es bedeutete gar nichts. Aber Lahm wusste, dass er nicht eher beruhigt wäre, bis er das überprüft hätte. Selbst wenn es nur ein winziger, brüchiger Strohhalm war, würde er danach greifen.
Er öffnete die Tür zu Kuhns Büro, das eher einem Verschlag glich.
Wird Zeit, dass Kuhn ein anständiges Büro bekommt, dachte Lahm, obwohl er im Moment ganz andere Sorgen hatte. Irgendwie fand er es beruhigend, sich Gedanken über das Büro seines Kollegen machen zu können, so konnte er seine Gedankenflut vielleicht ein wenig ordnen.
»Kuhn, kommen Sie mit?«
Moritz Kuhn saß am Schreibtisch und starrte auf den Monitor.
»Wieso?«, fragte er schlecht gelaunt. »Hab noch zu tun.«
»Es geht um Schuster. Vielleicht hab ich da was ...«
Ohne ein weiteres Wort war Kuhn aufgesprungen und im selben Moment bereits in seiner Windjacke.
Auf dem Weg nach Grasberg berichtete Lahm ihm ausführlich von dem Telefongespräch mit der Apothekerin.
Die Apotheke hatte bereits geschlossen. Die Apothekerin hatte Lahm gesagt, er solle klingeln, sie würde auf ihn warten.
Er drückte also auf die Klingel über dem Notdienstschild, und nur wenig später erschien eine Frau um die Vierzig an der Tür. »Sie sind der Herr von der Polizei?«
Lahm nickte und zeigte ihr seinen Dienstausweis. »Das ist mein Kollege Moritz Kuhn.«
»Kommen Sie doch bitte herein.«
Sie wurden nach hinten gebeten, wo eine junge Frau stand und Medikamente sortierte. Es roch leicht nach Menthol.
Lahm sah, wie sein Kollege die Nase rümpfte.
Die Apothekerin bat die beiden Herren in ihr Büro, das ein ausgesprochen winziger, aber urgemütlicher Raum war.
»Danke, dass Sie angerufen haben.«
Die Frau nickte. »Ich habe das Rezept hier.« Sie hatte es vor sich auf den Tisch gelegt. »Der Mann wohnt in Tüschendorf, einer kleinen Gemeinde, die hier zu Grasberg gehört.«
»Wie lange kennen Sie den Mann schon?«, wollte Lahm wissen.
Die Frau hob die Schultern. »Seit mehreren Jahren. Er ist Stammkunde. Er hat übrigens nicht nur diese Hustentropfen gekauft, er hat auch ein Schlafmittel mitgenommen. Obwohl er immer davon geredet hat, dass er einen ausgezeichneten Schlaf hat und man ihn vermutlich wegtragen könnte, wenn er schläft.«
Lahm und Kuhn blickten einander an. Gleichzeitig standen sie auf. »Wir würden uns gern mit dem Herrn unterhalten.«
Die Apothekerin nickte, war aber etwas blass geworden.
Lahm schenkte ihr ein kleines Lächeln. »Keine Sorge, er wird nicht erfahren, dass Sie uns zu ihm geschickt haben.«
Und wenn er wirklich irgendwas mit Schusters Verschwinden zu tun hat, dann werde ich es aus ihm rausprügeln ... und hoffen, dass Kuhn mich davon abhält.
In der Tür drehte er sich noch mal zu der Frau um. »Eins noch: Wenn Sie den Mann schon viele Jahre kennen ... was für ein Mensch ist er?«
Die Apothekerin seufzte. »Er ist nett, sehr höflich, gebildet, würde ich sagen. Er ist sehr wohlhabend, wohnt ganz allein in einem großen Haus.«
»Wie kommen wir am schnellsten dorthin?«
»Am besten Sie fahren zurück auf die Landstraße und dann links auf den Tüschendorfer Damm.«
Zunächst nahm Lahm eine falsche Zufahrt, musste auf einem Schotterweg wenden und bog dann in den richtigen Weg ein.
Das Haus, zu dem dieser Weg führte, war von der Straße aus kaum zu sehen. Nur das dunkle, etwas verblichene Dach lugte zwischen Tannen und hohen Birkenwipfeln hervor.
Das Grundstück war tatsächlich sehr eingewachsen, verwildert hätte man es auch nennen können.
Lahm hielt vor einer Doppelgarage und die beiden Kollegen stiegen aus dem Wagen. Kuhn lief links an der Garage vorbei, um sich dort umzusehen, Lahm blieb unschlüssig vor der Haustür stehen.
Kurz darauf rief Kuhn:»Kommen Sie mal her!«
Mit pochendem Herzen rannte Lahm zu seinem Kollegen.
Kuhn spähte durch eine etwas verdreckte kleine Fensterscheibe direkt in die Garage. Er fuchtelte mit einem Arm.
»Schusters Wagen! Sein Mazda steht hier drin!«
Lahm warf ebenfalls einen Blick durch das kleine Fenster.
Außer Schusters Mazda war die Garage leer, entweder war der Mann eingefleischter Fußgänger oder er war nicht zu Hause. Und das wiederum bedeutete, dass Schuster womöglich sich selbst überlassen war. Oder aber, er war bereits ...
Nein. Lahm verscheuchte seine trüben Gedanken und überlegte fieberhaft, was nun zu tun
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