Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
aber nett, dass Sie sich melden. Gibt’s was Neues?«
»Wie kommen Sie darauf, so einen Mist zu schreiben?«, schnauzte er sie an.
»Hören Sie, ich ...«
Schuster war aufgesprungen. Wenn er richtig wütend war, stand er lieber. »Passen Sie gut auf, Frau Diestelmann. Ich bin stinksauer. Ich dachte, wir zwei hätten eine Abmachung. Sie haben versprochen ...«
»Vielleicht lassen Sie mich erst mal ausreden.« Jetzt war sie ebenfalls wütend.
»Ich hab nichts geschrieben, was nicht stimmt. Es ist wirklich eine Frau in den Wallanlagen überfallen worden.«
Schuster schnaubte ins Telefon. »Hatten Sie einen schlechten Traum?«
»Eine junge Frau wurde angegriffen, Herr Kommissar. Sie hat Glück gehabt, sie konnte abhauen ...«
Schuster setzte sich wieder.
»Woher wissen Sie das?«, knurrte er schließlich.
Sabine Deisterkamp ließ ihn einen Moment zappeln. »Die Frau hat es mir selbst erzählt.«
Jetzt war Schuster völlig baff. »Sagen Sie das noch mal. Die Frau ist zu Ihnen gelaufen und hat Ihnen alles erzählt?« Er sprang wieder auf. »Sie läuft zur Presse anstatt zu uns?« Er schmiss den Hörer auf die Gabel.
Er las den Artikel noch einmal in Ruhe, danach rief er Sabine Deisterkamp wieder an. Bevor er etwas sagen konnte, sagte sie honigsüß: »Vielleicht fragen Sie sich mal, warum die Frau nicht zur Polizei gegangen ist.«
Schuster schnappte nach Luft. Er schwieg vorsichtshalber.
»Seit Monaten suchen Sie diesen Verrückten, Herr Kommissar. Sie haben nichts, aber auch gar nichts. Jede Frau, die halbwegs bei Verstand ist, befürchtet doch, dass der Kerl auch in einem Jahr noch durch Bremen rennt und Frauen umbringt. Das Vertrauen in die Polizeiarbeit ist ein bisschen ... sagen wir, auf der Strecke geblieben.«
Schuster zählte innerlich bis fünf. »Die Frau vertraut sich also lieber der Presse an.«
Sabine Deisterkamp räusperte sich. »Um ganz ehrlich zu sein, sie hat sich nicht direkt an uns gewandt.«
Jetzt blieb Schuster die Spucke weg. »Und Sie erzählen mir was von mangelndem Vertrauen in unsere Arbeit? Woher wissen Sie dann von der Geschichte, Frau Dusselkamp?«
»Deisterkamp«, fauchte sie, und er grinste.
»Eine Freundin der Frau hat mit mir gesprochen. Wir kennen uns noch von früher.«
Schuster konnte sich vorstellen, wie es zu der Story gekommen war. »Verstehe«, knurrte er nur.
»Ich glaube nicht«, erwiderte sie etwas spitz.
»Sie haben nicht selbst mit der Frau gesprochen, wie Sie mir eben noch weismachen wollten. Das alles haben Sie also nur aus zweiter Hand.«
Sie legte einfach auf.
Nachdem Schuster sich einigermaßen beruhigt hatte, lief er hinunter zum Doc. Ihm war der Appetit auf einen Mittagsimbiss gründlich vergangen.
Stello saß auf einem Hocker und aß einen Apfel, im Hintergrund plärrte das Radio.
Schuster setzte sich neben ihn.
»Hast du Hunger?«, fragte Stello.
»Nein.«
Der Doc lachte. »Sicher hast du Hunger. Du hast doch immer Hunger.« Er griff in seine Aktentasche und holte einen zweiten Apfel heraus. »Hier. Ich weiß nicht, warum Ellen mir immer die doppelte Menge von allem mitgibt.«
Er warf Schuster einen Seitenblick zu. »Ich glaube, ich weiß es doch.«
Schuster nahm den Apfel und drehte ihn in seinen Händen. »Hast du auch manchmal das Gefühl, nicht genug tun zu können? Fühlst du dich manchmal ... irgendwie hilflos?« Dieses Gespräch war keine gute Idee gewesen, das wurde ihm gerade bewusst. Er fing an zu lamentieren, und das hasste er.
Stello biss krachend in seinen Apfel, und Schuster spürte, dass genau dieses Geräusch ihm bewusst machte, dass er wirklich hungrig war.
»Hmm«, machte der Doc dann. »Ich hab dauernd das Gefühl.« Er grinste etwas schief. »Die Leute, die zu mir kommen, können mir ihre Geschichte nicht mehr erzählen. Ich kann ihnen nicht mehr helfen. Aber ich versuche mein Möglichstes zu tun, ihre Geschichte aufzuklären. Verstehst du? So kann ich vielleicht doch ein wenig helfen.« Er winkte ab. »Dieses Gefühl kennt doch jeder, Heiner.«
Schuster runzelte die Stirn und betrachtete seinen angebissenen Apfel, als ob die Antworten auf all seine Fragen auf der Schale stehen würden.
Stello hatte den Apfel inklusive Kerngehäuse aufgegessen, und Schuster sah ihn verblüfft an. »Machst du das immer?«
»Was?«
»Einen Apfel komplett aufessen.«
Stello stutzte, dann grinste er. »Nein, eigentlich nicht. Ich war wohl zu sehr in Gedanken.«
Schuster aß schweigend seinen Apfel und steckte das Apfelkerngehäuse
Weitere Kostenlose Bücher