Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
tun.« Er ging zu seinem Tisch, nahm die Tasse und drehte sie in seinen Händen. »Angenommen, sie hat dich verletzt. Als sie dir gegen das Bein getreten hat zum Beispiel.«
»Tränengas?«, fragte Lahm und schenkte ihm Kaffee ein.
»Vielleicht.« Schuster nahm einen Schluck. »Oder sie hat dich geschlagen, getreten, irgendwas. Du gehst zu Boden ...«
Lahm schnaubte. »Tu mir den Gefallen und sprich nicht in der zweiten Person, ja? Der Kerl geht also zu Boden ...«
Schuster nickte nachdenklich. »Er geht zu Boden, hält sich den Bauch ...«
»Den Kopf«, brummte Grätsch.
Schuster sah ihn verwundert an.
Auch Lahm schaute auf. »Warum den Kopf?«
Grätsch zuckte die Achseln. »Nur so. Vielleicht ist er gestürzt und hat sich den Kopf angeschlagen.«
»Gut möglich.« Schuster nickte. »Er braucht also eine Weile, dann begreift er, dass die Frau abgehauen ist. Er hört sie vielleicht noch ...«
»Und torkelt nach Hause.« Lahm stieß die Luft durch die Nasenlöcher.
»Eben.« Schuster trank seinen Kaffee aus. »Das klingt merkwürdig, finde ich auch.«
»Es würde uns weiterbringen, wenn wir selbst mit der Frau sprechen könnten«, meinte Lahm und Schuster nickte.
»Glaubst du, du kannst mit dieser Reporterin, dieser Frau ... wie heißt sie noch?«
»Deistermann.« Schuster schüttelte den Kopf. »Nein, warte. Deisterkamp.«
Er setzte sich an seinen Schreibtisch und griff zum Telefonhörer. »Stellen Sie mich bitte zu Frau Deisterkamp durch.«
»Sabine Deisterkamp«, hörte er ihre aufgeräumte Stimme.
»Hier ist Hauptkommissar Schuster. Schön, dass ich Sie erreiche. Ist es möglich, dass Sie den Kontakt zu der jungen Frau herstellen, die in den Wallanlagen ...?«
»Nein, tut mir leid. Sie hat ausdrücklich gesagt, dass sie nicht mit der Polizei sprechen möchte.«
Schuster seufzte leise. »Frau Deisterkamp.« Er grinste breit, weil er hoffte, dass seine Stimme so freundlicher klingen würde. »Dann müssen Sie mir weiterhelfen.«
»Wenn ich das kann.«
»Ich bin sicher, Sie können.« Er sah, wie Lahm den Kopf schüttelte und eine Grimasse zog. »Ich muss wissen, ob die junge Frau den Mann verletzt hat? Hat sie ihn niedergeschlagen zum Beispiel? Ist er schwer gestürzt? Warum ist er ihr nicht gefolgt?«
Sabine Deisterkamp lachte trocken. »Ich soll sie fragen, warum der Kerl nicht hinter ihr her ist?«
»Nein, ich will nur wissen, warum er dazu nicht in der Lage war? Verstehen Sie? Der Kerl hat offenbar keine Anstalten gemacht, der Frau nachzulaufen. Und ich muss wissen, warum.«
Sabine Deisterkamp zögerte. Schließlich seufzte sie laut. »Na, schön. Ich rufe die Frau an, die mir die Story erzählt hat.«
»Und danach rufen Sie mich an?« Schuster taten bereits die Mundwinkel weh, weil er so angestrengt grinste.
»Mach ich.«
»Vielen Dank.« Er legte auf und wurde schlagartig ernst.
Die Tür flog krachend gegen die Wand, und Moritz Kuhn stürmte herein. »Mahlzeit.« Er blieb abrupt stehen. »Was ist hier denn los?« Er legte ein Kuchenpaket auf Schusters Schreibtisch, hockte sich auf die Ecke und baumelte mit dem rechten Bein, so wie immer. »Streuselkuchen.« Er zeigte auf das Päckchen. »Ist irgendwas passiert?«
Schuster deutete auf Lahm. »Sei so gut und berichte unserem jungen Profiler.«
Er selbst trommelte mit den Fingerspitzen auf seine Schreibtischunterlage, so nervös war er. Hoffentlich rief die Reporterin gleich zurück und ließ ihn nicht absichtlich zappeln. Er hatte sie oft genug geärgert und hingehalten.
»Glaubt ihr, es könnte ein Zusammenhang bestehen? Zwischen dem Überfall und den Morden?« Es war Kuhn, der das aussprach, was Schuster die ganze Zeit über gedacht hatte.
»Unsinn«, brummte Grätsch. »Unser Mann schnappt sich die Frauen und erwürgt sie. Er ringt nicht mit ihnen und lässt sie dann laufen.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Lahm.
Grätsch sah ihn kopfschüttelnd an. »Er hat zwei Frauen umgebracht. Wenn er gewollt hätte, hätte er die junge Frau nicht entkommen lassen. Selbst wenn er verletzt war oder Schmerzen oder einen Klumpfuß hat, er hätte sie nicht entkommen lassen. Was meinst du, Schuster?«
Sein Kollege war gerade unter seinem Schreibtisch abgetaucht, weil sich die Kabel von Tastatur und Computermaus hoffnungslos verheddert hatten.
Schuster hörte Lahm und Grätsch reden und Kuhn mit dem Kuchenpapier rascheln. Und dann hörte er sein Telefon.
Mit einem Satz kam er hoch und stieß mit dem Kopf unter seinen
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