Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman

Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman

Titel: Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Lieder
Vom Netzwerk:
hinlegen.«
    »Was fehlt Ihnen?«, fragte Lahm.
    »Migräne.«
    Schuster hatte einen Bekannten, der ebenfalls unter Migräne litt und dann sämtliche Räume abdunkelte, weil er die Helligkeit nicht ertrug.
    »Ihnen ist also nichts aufgefallen«, wiederholte Lahm.
    Hagedorn schüttelte unmerklich den Kopf.
    Unbehaglich rutschte Schuster in seinem Sessel hin und her.
    Vor ihm auf einem hölzernen, blitzblank polierten Couchtisch stand eine weiße Porzellanschale mit Walnüssen. Seiner momentanen Nervosität, vielleicht auch Zappeligkeit, war zu verdanken, dass er kurz hinüberlangte, ganz ohne Grund eigentlich, und damit die Schale umwarf und die Nüsse auf den hellen Teppich kullerten.
    Sofort war er auf den Knien, um sie wieder einzusammeln.
    Gleichzeitig war aber auch Hagedorn aufgesprungen, schob ihn beiseite und warf sich mehr oder weniger auf den Boden. »Ich mach das.«
    Schuster hielt verblüfft und ein wenig beschämt inne.
    »Tut mir leid«, murmelte er.
    Hagedorn kroch auf dem Teppich herum und sammelte die Walnüsse wieder ein. Dann stellte er die Schale wieder hin, und schob sie mehrfach hin und her, bis sie den richtigen Platz hatte.
    Schuster hatte noch nie einen derart pingeligen Menschen gesehen. Sein Ordnungssinn wirkte geradezu zwanghaft. Schuster konnte das Gefühl gut nachvollziehen – was für ihn seine sauberen Hände waren, war für Hagedorn die Ordnung.
    Hagedorn schob die Porzellanschale abermals hin und her, fuhr mit der Hand über einzelne Nüsse, drapierte sie mal so, mal so, und das Spiel mit der Schale begann von vorn.
    Lahm und Schuster beobachteten ihn dabei mit einer Mischung aus Faszination und Unbehagen.
    »So ist es richtig. Ja, so ist es gut.« Die Schale stand offenbar endlich dort, wo sie zu stehen hatte.
    Schuster atmete erleichtert auf. Er ließ den Blick schweifen und entdeckte in einem Fach des klobigen Schranks, der ihm gegenüber an der Wand stand, einen Stapel Schokoladentafeln. Er reckte den Hals, um besser sehen zu können.
    Hagedorn stand da und blickte mit gerunzelter Stirn auf den Teppich unter seinen Füßen.
    Sofort war Schuster peinlich bewusst, dass er mit schmutzigen Schuhen in die Wohnung marschiert war. Er schob seine Füße so gut es ging unter den Sessel.
    Hagedorns Blick ruhte noch immer auf dem Teppich. »Sauber. Alles sauber«, murmelte er vor sich hin.
    »Bitte setzen Sie sich doch wieder«, bat ihn Lahm.
    »Ich ertrage Schmutz einfach nicht. Ich ertrage es nicht.« Vorsichtig schritt Hagedorn an Schuster vorbei, der sich in seinen Sessel drückte und die Knie ans Polster presste.
    »Haben Sie Kinder? Enkelkinder?«, fragte Schuster.
    Hagedorn erwiderte zerstreut: »Ich bin alleinstehend.«
    Schuster zeigte auf die Schokoladentafeln. »Für wen ist die Schokolade dort drüben?«
    Hagedorn drehte den Kopf und blickte auf die Tafeln. Er schien nachzudenken.
    »Ich fürchte, ich bin süchtig nach Schokolade«, murmelte er dann, und sein Mund verzog sich zu einem schiefen, sehr flüchtigen Grinsen.
    Lahm kam an den Tisch und wühlte in seiner Jackentasche nach seiner Karte. »Danke, Herr Hagedorn.« Er warf die Karte auf den Tisch, und Hagedorn griff sofort danach, stopfte sie in die Tasche seines Bademantels und wischte mit der Hand über die Stelle, wo die Karte gelegen hatte.
    Sauberkeitstick ...
    Schuster kamen Kuhns Worte in den Sinn: Der Mann leidet wahrscheinlich an einem Sauberkeitstick. Er macht alles sauber. Er braucht es sauber ...
    Er stand langsam auf. »Entschuldigung ... Darf ich Ihre Toilette benutzen?«
    Der Schreck, vielleicht sollte man besser sagen der Schock, stand Hagedorn ins Gesicht geschrieben. Offensichtlich bereitete es ihm mehr als Kummer, dass ein wildfremder Mensch seine Toilette benutzen wollte.
    »Meine Toilette?«
    Schuster bemühte sich um ein unverkrampftes Lächeln.
    Hagedorn ging ohne ein weiteres Wort los. Im Flur blieb er stehen und zeigte auf eine schmale Tür gleich neben dem Eingang.
    Schuster wollte sich an ihm vorbeischieben und stand bereits in der Tür, als er Hagedorn sagen hörte: »Nicht im Stehen pinkeln. Weißes Handtuch rechts neben dem Waschbecken.«
    Fast hätte Schuster salutiert. Er schloss hinter sich ab und blieb einen Moment im Bad stehen. Es war sehr klein, fast winzig.
    Auch hier war es so sauber, dass man vermutlich vom Boden essen konnte.
    Mit spitzen Fingern öffnete er das kleine Spiegelschränkchen. Zwei verschiedene Tuben Zahncreme, ein Rasierwasser, eine Dose Rasierschaum und eine Salbe

Weitere Kostenlose Bücher