Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
gearbeitet, und am Tag musste sie schlafen. Da hat man wenig Freunde.«
»Gab es jemanden, mit dem sie nicht zurecht kam? Hatte sie Streit mit jemandem?«
Wolfrat seufzte dramatisch. »Gott, woher soll ich das wissen? Carmen war meine Schwester ... Haben Sie eine Schwester, Herr Kommissar?«
Schuster verneinte.
»Ich war Carmens Bruder, nicht ihr Beichtvater. Es gibt immer jemanden, der einem die Butter auf dem Brot nicht gönnt. Oder etwa nicht?«
Das musste Schuster so stehen lassen.
Als Schuster ein paar Tage später ins Büro kam, hatte er seine Wohnung bereits einigermaßen wohnlich eingerichtet.
Mit zusammengesuchten, geschenkten Möbeln, seinen Büchern und CDs und dem bisschen Geschirr, das Silke an ihn abgetreten hatte. Den verdammten Wohnwagen würde er nicht eine Sekunde vermissen.
Grätsch grinste ihn an, als er zur Tür hereinkam. »Na, hast du dich schon eingelebt?«
»Bin noch dabei.« Er hatte zum ersten Mal seit vielen Wochen in einem richtigen Bett geschlafen – der Kater war mitten in der Nacht in sein Bett gekommen und hatte sich zu seinen Füßen zusammengerollt – und zur Feier des Tages hatte er sich sogar ein bescheidenes Frühstück gegönnt.
Er ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen, der unter dem plötzlichen Gewicht etwas nach unten ruckte.
Es klopfte kurz und Stello kam herein. »Moin, Jungs.«
»Immer rein mit dir.« Grätsch winkte ihn zu sich. »Weißt du schon, ob die Frau betäubt wurde?«
Stello stellte seine Aktentasche auf Grätschs Schreibtisch und stützte sich darauf. »Nachweisen konnten wir nichts.« Als er die Gesichter der Kollegen sah, hob er eine Hand. »Was aber nicht heißen muss, dass sie nicht betäubt wurde. Liquid Ecstasy oder K.-o.-Tropfen sind praktisch nicht nachzuweisen. Gamma-Hydroxy-Buttersäure, ein verdammtes Teufelszeug, weil man’s nicht schmeckt und nicht riecht. Schon gar nicht, wenn man es in Alkohol oder Limonade zu sich nimmt.« Er nahm seine Tasche und hob die Hand.
Schuster blickte ihm nach, bis er verschwunden war.
Grätsch riss ihn aus seinen Gedanken. »Ein paar Anrufe sind reingekommen, nachdem wir veröffentlicht haben, was Carmen in der Nacht getragen hat. Vielleicht kommen wir so dahinter, ob sie nach ihrer Schicht vielleicht doch noch irgendwo hingegangen oder hingefahren ist. Wieso sie dann allerdings die Bar offengelassen hat …« Grätsch seufzte laut. »Eine Frau hat sich gemeldet, sie glaubt, Carmen gegen sechs Uhr morgens gesehen zu haben. Sie sei über den Domshof spaziert. Die Beschreibung passt: enger roter Rock, weißer Pulli, schwarze ... wie heißen die Dinger gleich?«
»Schuhe«, brummte Schuster.
Sein Kollege bedachte ihn mit einem Kopfschütteln.
»Jedenfalls soll sie über den Domshof gelaufen sein. Der Zeugin war aufgefallen, dass die Frau ganz offensichtlich nicht besonders gut auf ihren hohen Absätzen laufen konnte. Eine andere Frau hat angerufen und meint, Carmen in der Martinistraße gesehen zu haben. Die Frau war auf dem Weg zur Arbeit, musste an einer Ampel warten, und da sei Carmen an ihr vorbeigegangen. Sie erinnert sich an die Kleidung.«
»Um wie viel Uhr soll das gewesen sein?«
Grätsch zuckte die Achseln. »Gegen sechs.«
»Passt.« Schuster lehnte sich zurück. »Konnte die Frau das Gesicht sehen?«
Wieder zuckte sein Kollege die Achseln. »Dafür war sie zu weit weg. Und genau drauf geachtet habe sie auch nicht.« Er rieb sich die Schläfen. »Dieser Fall macht mich noch wahnsinnig. Jeden Tag etwas, das noch mehr Chaos bringt. Statt einer heißen Spur, irgendwas, was uns weiterhilft, nur Chaos und weiterer Nebel.«
»Was hältst du von einer kleinen Einweihungsparty heute Abend?« Schuster war der Gedanke gerade erst gekommen.
Sein Kollege strahlte. »Das ist das erste Vernünftige, das ich heute höre.«
»... und wohl auch das letzte.« Florian Lahm war soeben an den Tisch getreten. »Ihr glaubt nicht, wen ich gerade am Telefon hatte.«
Schuster hockte vor dem Schrank und suchte eine Tasse.
»Ein Kerl hat gesagt, er hätte sie umgebracht«, erzählte Lahm weiter.
»Wen?«, fragten Schuster und Grätsch fast gleichzeitig.
Lahm zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
Grätsch stieß einen zischenden Laut aus.
Schuster hatte sich zu Lahm umgedreht und ihn verständnislos angesehen. »Ich hoffe, du hast ihn gefragt, wen er gemeint hat.«
Lahm bedachte ihn mit einem finsteren Blick, dann wandte er sich an Grätsch.
Der schnalzte mit der Zunge. »Was genau hat er
Weitere Kostenlose Bücher