Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
und sahen sich verliebt an.
Schuster glaubte, sich gleich übergeben zu müssen.
»Dann lass ich das junge Glück mal wieder allein«, stieß er zwischen den Zähnen hervor und knallte die Tür hinter sich zu.
Florian Lahm hatte das zweifelhafte Vergnügen, sich einen netten Abend im Crocodile zu machen. Eigentlich hatte Schuster hinfahren wollen, sich dann aber anders entschieden. Lahm wettete insgeheim, dass sein Kollege das lieber ihm überlassen hatte, um ihm eins auszuwischen. Die beiden Kollegen schlossen sich nicht gerade gegenseitig in ihre Nachtgebete ein.
Lahm war vor fünf Jahren zur Kripo Bremen gekommen und nie richtig aufgenommen worden, wie er fand. Schuster und Grätsch waren ein eingespieltes Gespann, und er, Lahm, hatte sich immer wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt.
Irgendwann war ihm aufgefallen, dass Schuster ein paar eigenartige Macken hatte. Lächerlich genug, dass er ständig in den gleichen Klamotten herumlief. Kein erwachsener Mann mit Verstand rannte tagtäglich mit einer weißen Mütze herum. Schuster hatte sie nicht alle, das war Lahms Meinung. Und das ließ er Schuster auch spüren.
Er parkte gegenüber der Bar, in der Carmen Wolfrat über fünf Jahre ihres Lebens Abend für Abend verbracht hatte, beneidete sie schon jetzt nicht darum und lief über die Straße.
An der Tür stand ein großgewachsener, stämmiger Kerl, und Lahm befürchtete schon, festgehalten und gefragt zu werden, was er hier zu suchen habe. Stattdessen trat der Kerl zur Seite, und Lahm schlüpfte verdattert an ihm vorbei. Er steuerte direkt die Theke an und hievte sich auf einen freien Barhocker.
Der Kerl hinterm Tresen warf ihm einen kurzen, desinteressierten Blick zu. Lahm bestellte ein Bier und sah sich die übrige Kundschaft etwas genauer an. Was schnell erledigt war, die Bar war fast leer.
Als der Barkeeper das Bier vor ihn hinstellte, sprach er ihn an. »Nicht viel los hier, was?«
»Nee.«
»Ist hier sonst mehr los?«
»Jo.« Der Barkeeper nahm ein Geschirrtuch und begann, einige Weingläser trocken zu reiben.
»Habt ihr hier nur Stammgäste?«
»Nö.«
Lahm hatte immer geglaubt, Barkeeper wären gesprächige Menschen, weil das ihr Geschäft beleben würde. Wenn man allerdings so grantig und schweigsam war wie dieser Bursche, war es nicht verwunderlich, dass es hier so leer war. Na gut, dachte er grimmig, geht auch anders ...
Er zückte seine Marke und hielt sie dem Kerl unter die Nase.
»Es geht um ihre Kollegin Carmen Wolfrat.«
»Ach so.« Mit stoischem Gesichtsausdruck polierte der Mann seine Gläser weiter, hielt sie gegen das Licht und stellte sie dann ins Regal zurück.
»Wie lange kannten Sie Carmen?«
Der Barkeeper überlegte kurz. »Schätze ... so drei, vier Jahre.«
»Wie gut kannten Sie sich?«
»Geht so.«
Lahm rutschte etwas nach vorn und sah ihm ins Gesicht. »Geht’s vielleicht auch ein bisschen genauer?«
Der Mann nahm ein Sektglas und fing an, daran herumzupolieren.
Lahm hatte das dumme Gefühl, überhaupt nicht ernst genommen zu werden. »Ich kann Sie auch gern vorladen. Passt es Ihnen morgen früh um neun?«
Der Mann zog ein Gesicht, als habe man ihm gerade gegen das Schienbein getreten. »Schön. Was wollen Sie wissen?«
»Das, was ich Sie eben gefragt hab, hätte ich gern etwas ausführlicher.«
»Noch ’n Bier?«
Lahm seufzte. »Nein danke. Also?«
»Carmen und ich hatten fast nie gleichzeitig Schicht. Wir haben uns abgewechselt. Wie gut ich sie kannte? Na, ich würde sagen, wie man sich eben so kennt, wenn man im selben Laden arbeitet, sich aber im Grunde fast nie sieht.«
Florian Lahm runzelte die Stirn. »War sie mit irgendwem hier befreundet?«
»Wir sind alle nur Kollegen, würde ich sagen.«
»So. Würden Sie sagen.«
»Jo.«
»Na schön, anders gefragt: Mit wem kam Carmen nicht so gut aus?«
»Carmen kam mit jedem gut aus. Sie war zu allen nett, verstehen Sie. Zu allen.«
Lahm seufzte demonstrativ. »Schön. Und wie war das mit den Gästen?«
Jetzt seufzte der Barkeeper auch. »Ich sagte doch, wir haben fast nie zusammen gearbeitet. Wie soll ich da wissen, mit welchem Gast sie mehr oder weniger gesprochen hat? Wahrscheinlich war sie auch zu allen Gästen nett. So war sie eben.«
»Ist es üblich, dass Sie mit den Gästen etwas trinken?«
Der Mann zuckte die Achseln. »Klar.«
Lahm musterte ihn. »Nach Feierabend würde Carmen doch abschließen, oder nicht?«
Der Barkeeper nickte.
Lahm runzelte die Stirn. »Es war aber nicht
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