Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
unangenehm, Peter, Richie und vor allem Hans mitzuteilen, dass ich die Baustelle bald wieder gegen eine Galerie tausche. Aber manchmal vereinfachen sich die Dinge im Leben von alleine.
Der winterliche Morgenhimmel glüht orangerot und ist von einem dunklen, lilafarbenen Schleier durchzogen. Als ob ein bedrohter Tintenfisch seine Tinte an den Himmel gespritzt hätte. Ich nehme das als Zeichen zum Angriff. Ich gehe ohne Umwege hoch zur Hütte, stelle mich vor Peters Schreibtisch und verkünde die Neuigkeit: «Morgen! Äh, ich muss dir was sagen. Also, ich arbeite hier noch bis Weihnachten, dann höre ich auf. Gehe zurück nach London.»
Dabei schaue ich auf den Boden und erblicke den Hump, der fast so da liegt wie an meinem ersten Tag. Ein Hauch von Melancholie kriecht mir unter die Haut.
Die Peter mir in der nächsten Sekunde austreibt: «Ja, gut. Dann muss ich jemand anderes finden, der mir die Mails übersetzt.» Das ist alles. «Wir müssen heute nach ganz oben. Es gibt ’ne Planänderung. Is Matze schon da?»
«Nee, noch nicht. Ach, und noch etwas», fällt mir in dem Moment ein. «Ein Bekannter sucht einen Job. Meinst du, der könnte hier mal probearbeiten?»
«Ja, dat passt eigentlich gut. Is ’ne Menge zu tun da oben. Der soll ma kommen.»
Ein Gerüst gibt es immer noch nicht, aber Peter hat recht behalten mit unserem Fugenfuks, den ich aus dem Treppenhausfenster beobachte. Er bedient draußen die Teleskophebebühne und schwenkt den Arbeitskorb von Fenster zu Fenster. Am Ende brauchen se alle dat Geld. Der Winter hält früh Einzug in Berlin, und es sieht so aus, als wenn ich nicht so bald noch mal ein Gerüst betreten werde.
Die Weite der 600 Quadratmeter großen Fläche im fünften Stock ist immer noch beeindruckend. Bis auf die lackverschmierten Folienreste, die wild zerstreut auf dem Boden liegen, wirkt der Raum eigentlich fertig. Die Lackierarbeiten sind abgeschlossen, die Dachunterkonstruktion hat die gewünschte Eisenglimmer-Farbe. Alle Fenster sind installiert, und Peter hat mit Fensterbauer Loos vergangene Woche sogar eine friedliche Abnahme hinbekommen.
Nur die etwa 20 gestapelten Euro-Paletten in der Ecke machen mich stutzig. Die waren vor dem Wochenende noch nicht da. Als Matze endlich eintrudelt, bringt Peter es kurz und trocken auf den Punkt:
«Der Boden muss raus!»
«Bitte? Was?»
«Du verarschst uns jetzt, oder?», prustet Matze los und spuckt dabei einen Tabakrest von seiner Lippe auf meine Schuhe. «’tschuldige.»
«Der Prüfingenieur war da. Hier muss Wärmedämmung und Trittschutz rein.»
«Das fällt dem jetzt ein, wenn alles andere fertig ist?», frage ich irritiert.
«Is ’ne lange Geschichte. Hier oben zieht der Bauherr persönlich ein. Und der hat sich jetzt erst entschieden, dat die Fläche nicht komplett beheizt wird. Wird ’ne Wohnung mit Atelier oder so wat.»
«Wow. Das würde ich dann gerne mal sehen, wenn’s fertig ist.»
«Jaja, auf jeden Fall müssen hier Wärmeplatten rein. Weil dat sonst zu kalt wird für die Apartments untendrunter. Heißt für uns: Alle Steine müssen raus! Und jetzt hört gut zu, dat is wichtig: Die Steine müssen heil bleiben, weil die wieder verlegt werden.»
«Und was machen die Paletten hier oben?»
«Da kommen die Steine drauf. Wir stemmen die erst nur auf einer Seite raus, dann machen wir sie sauber und stapeln sie auf die Paletten in der anderen Hälfte des Raumes. Versteht ihr?»
«Ähm, nicht so wirklich.»
«Na, die Zementreste entfernen! Ach, dat seht ihr schon alles, wenn’s so weit is. Wir müssen jetz erst mal alle Fenster vernageln. Bringt alle Holzbretter, die ihr im Gebäude finden könnt!»
Wir brauchen den ganzen Morgen, um genügend Holz zu finden. Den Rest des Tages bringen wir mit dem Verbarrikadieren der knapp 40 Fenster zu.
Immer wieder schielt der Fugenfuks etwas ungläubig von draußen durch die Scheibe, während er die Lücken zwischen Fenster und Mauer mit seiner Fugenmasse ausspritzt. Ich kann selbst kaum fassen, was wir da vorbereiten; Zementreste entfernen?
Ohne Gerüst ist die Mauer im Erdgeschoss wenigstens nicht mehr versperrt. Hans und Richie können unten nun endlich ihre Arbeit beenden. Vor der Mauer stehen vier verstellbare Böcke, auf denen mehrere Holzbohlen in zwei Reihen eine Arbeitsfläche bilden. Parallel zur Mauer haben Hans und Richie auf den hinteren Bohlen einige Lagen Klinkersteine gestapelt.
«Hey, Hans, kommst du mit? Mittag!»
«Ah Nick, hilf ma kurz. Die Dinger
Weitere Kostenlose Bücher