Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
Architekten, sondern gleich das ganze Gerüst vom Winde verweht.
Die Welt der Bauarbeiter ist klein. Es hat sich schnell herumgesprochen, dass es Zahlungsprobleme auf Peters Baustelle gibt. Eine neue Gerüstbaufirma zu finden ist deshalb schwieriger als gedacht. Und wenn sich eine bereit erklärt, dann nur gegen Vorkasse. Das wiederum passt Peter nicht.
An dem Tag, als die Teleskophebebühne auf einem Tieflader angeliefert wird, ist mir auf einmal klar, dass Peter die Sache mit dem Gerüst einkalkuliert haben muss. Warum hätte er sonst vorausplanend diese Maschine bestellt? Außerdem scheint es ihn überhaupt nicht nervös zu machen, dass weit und breit kein neuer Gerüstbauer in Aussicht ist.
Die zwei Männer der Lieferfirma haben genauso wenig Ahnung von der Hebebühne wie wir. Ihre Aufgabe ist nur, das Ding von Dortmund nach Berlin zu transportieren und bei uns abzuladen. Das haben sie getan und sind wieder verschwunden.
Da steht das monströse Gerät nun auf dem Schotter der Baustraße, und alles, was ich in der Hand halte, ist ein Lieferschein, eine Rechnung und eine Bedienungsanleitung. Peter klettert derweil in den Arbeitskorb zum Schaltpult, um die Maschine von dort aus auf das Baustellengelände zu fahren.
«Ich hab dat schon ma gemacht. Die bedienen sich alle gleich.»
Er dreht den Schlüssel, und der Motor springt an. Aber sofort ertönt ein hell piepsendes Warnsignal.
«Peter, warte! Hier steht, bevor du das Ding in Bewegung setzt, muss der Arm einen Winkel von mindestens 91 Grad haben. Der muss nach
oben
!»
«Ich weiß!»
Ja klar, das sehe ich. Der Teleskoparm steigt hoch in eine waagerechte Position.
«Piepst immer noch. Scheiße. Ich fahr dat jetz einfach so.»
«Dann muss es was anderes sein.»
Während ich weiter im Handbuch blättere, fährt Peter die Teleskophebebühne im Schneckentempo Richtung Baustelle. Das schrille Warnsignal hört nicht auf.
«Schnellmodus geht nicht! Ist alles blockiert! Und Drehen geht auch nicht!», ruft Peter.
Fährt aber weiter, statt anzuhalten und das Problem zu finden. Auf einmal stockt die Maschine, und Peter wird in dem Metallkorb hin und her geschüttelt. Ausgerechnet auf der Feuerwehrzufahrt kommt sie zum Stehen. Peter stoppt den Motor und zieht den Schlüssel ab.
«Lass uns ’nen Kaffee trinken und in die Anleitung gucken. Vielleicht ham die Arschlöcher dat Ding auch nur schlecht gewartet!»
16 980 Euro kostet dieses uralte Gerät, steht auf der Rechnung. Irgendwie will mir nicht in den Kopf, weshalb jemand eine Gerüstbaufirma nicht bezahlt, aber das Geld übrig hat für so ein gebrauchtes Teil. Was alleine der Arbeitsausfall und die Bauverzögerung kosten!
Die Anleitung hilft uns bei unserem Problem nicht, sie klärt vor allem über die Gefahren auf. In einem Punkt heißt es, und den lese ich laut vor: «Denken Sie nicht ans Kunstfahren oder an eine sonstige Alberei, während Sie dieses Gerät bedienen.»
Wer immer diesen Satz geschrieben hat, dürfte den durchschnittlichen IQ eines Bauarbeiters in etwa mit dem eines Affen gleichsetzen.
«Da müsste so was wie ’ne Transportsperre sein. Auch wenn die beiden Deppen gesagt haben, da wäre keine. Komm, trink aus, und dann gucken wa ma nach.» Peters Instinkt erweist sich als richtig. Mehr als 40 Jahre Baustellenerfahrung zahlen sich aus. «Da! Siehst du! Da sitzt der Bolzen drin! Dat hätten die Idioten uns sagen müssen!» Wir stehen leicht gebückt unter dem Teleskoparm, und Peter deutet auf einen Bolzen, der durch sein Fahrmanöver ziemlich verbogen ist. «Deshalb hat dat die ganze Zeit gepiepst, der konnte die Transportsperre nicht aushaken. Ich hol ma eben ’nen Hammer.» Mit wilden Schlägen bearbeitet Peter den Stahlbolzen, aber der bewegt sich keinen Millimeter. «Scheiße, geht nich! Bleib du hier stehen, Nick. Ich steuer mal in die andere Richtung. Sag Bescheid, wenn der Bolzen gerade ist.» Peter schwingt sich in den Steuerkorb und brüllt noch: «Halt ’n bisschen Abstand, besser is dat!»
Der Motor startet, und der Auspuff speit eine kleine schwarze Rauchwolke aus. Peter drückt den Joystick nach links, und ich sehe, wie die Maschine sich gegen den Bolzen drückt.
«Ja, gut! Der bewegt sich! Noch ein Stückchen! STOPP ! STOPP !», schreie ich Richtung Korb.
Der Bolzen fährt nach unten, das Warnsignal verstummt. Peter fährt den Teleskoparm aus. Langsam steigt er in die Höhe und erreicht das Dach. Sieht verdammt hoch aus! Der von hier unten jetzt winzig wirkende
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