Schutzlos: Thriller (German Edition)

Waffen. Automatische Handfeuerwaffen.«
    »Verstanden.«
    Sie versuchten es also nicht mit einem Distanzschuss; sie machten sich von hinten, aus der Nähe an ihn heran. Ein Schuss in den Kopf und fertig.
    Oder, überlegte ich, sie wollten ihn gar nicht töten. Vielleicht sollte der Partner nur die Geldübergabe absichern, und danach würden sie sich die Hände schütteln und wieder fahren.
    Ich atmete schwer und zwang mich, nicht einen Blick erhaschen zu wollen, sondern blieb tief geduckt im Gestrüpp sitzen. Plötzlich lief es mir kalt das Rückgrat hinunter, und ich drehte mich rasch um, obwohl ich wusste, Loving konnte sich nicht hinter mich geschlichen haben, bei all den schwer bewaffneten FBI-Leuten ringsum.
    Ich sah nichts außer Schösslingen und Buschwerk.
    »Einsatzleiter. Wir haben Sichtkontakt. Beide Subjekte sind in Position für Verhaftung.«
    »Ihr habt grünes Licht«, sagte Freddy.
    »Roger. Grünes Licht. Auf mein Kommando. Auf mein Kommando,
Teams drei und eins, Blendgranaten, dann Zugriff von der Seite und hinten. Moment noch … Moment …«
    Ich fragte mich, wie die Kommunikation im Juli 1861 gewesen sein mochte, als sich die Soldaten hier zum Kampf bereit machten.
    »Jetzt. Zugriff, Zugriff!«
    Ich hörte eine Reihe Explosionen und sah Blitze aufleuchten, während die taktischen Teams vorwärtsstürmten.
    Meine Hand verkrampfte sich – die linke, nicht die Hand, mit der ich schieße –, und ich erhob mich halb aus meiner Deckung. Ich sog die Luft ein. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich mindestens eine halbe Minute lang nicht geatmet hatte.
    Die Teams strömten zusammen und schrien dabei ihren Anweisungen entsprechend: »FBI, FBI, auf den Boden, lasst eure Hände sehen! Lasst eure Hände sehen!«
    »Wir haben …«, begann einer in sein Funkgerät.
    Eine lange Pause. »Ähm. Team drei an Einsatzleiter. Wir brauchen Sie hier. Schnell.«
    Was war los?
    »Das verstehe ich nicht …«
    »Verdammt.«
    Mir sank der Mut bei diesem Funkverkehr, der wohl kaum auf einen erfolgreichen Einsatz schließen ließ.
    Und während ich meine Deckung verließ, stellte ich eine Schlussfolgerung an, die sich als zutreffend erweisen sollte. Die beiden Männer, die sich an Omar heranschlichen, hatten polizeiliche Dienstmarken gezückt. Es waren natürlich Detectives des Prince William County, die hier waren, um Berichte über einen Drogendeal oder Hilferufe zu untersuchen, die Loving ohne Frage sofort nach dem Gespräch mit Zagaew gemeldet hatte.
    Ein Trick, um uns abzulenken, während er seine Flucht inszenierte.

53
    Ich sprach mit Claire DuBois.
    »Loving ist auf der Flucht. Eventuell ist er mit dem Wagen unterwegs, aber ich glaube, er will die Gegend so schnell wie möglich hinter sich lassen. Ich brauche alle Flugreservierungen, die nach seinem Gespräch mit Zagaew – gegen fünfzehn Uhr – für Flüge heute noch erfolgt sind. Vielleicht von Dulles, National oder BWI, aber ich glaube, er macht immer noch einen Bogen um sie, vor allem jetzt, da er vermutet, dass wir Zagaew umgedreht haben.«
    »Eisenbahn?«, fragte DuBois.
    »Freddy hat die Polizei an der Union Station informiert, aber ich wette, er will schneller weg als mit dem Zug.«
    »Ich mache mich sofort daran.«
    Zagaew hatte keine Ahnung, wohin Loving unterwegs sein konnte, er hatte nur gesagt, sein Flug nach West Virginia habe etwa fünf Stunden gedauert, was darauf schließen ließ, dass er irgendwo an der Westküste saß, möglicherweise aber auch in Mexiko, Kanada oder der Karibik.
    Die taktischen Beamten packten ihre Ausrüstung zusammen. Wir sprachen mit den County-Detectives, aber es war keine Überraschung, dass der Anruf, der sie hierhergeführt hatte, anonym erfolgt war und von einem Telefon, das sich nicht zurückverfolgen ließ. »Der Anrufer sagte, er hätte gesehen, dass jemand ›Armeewaffen‹ aus seinem Wagen verkauft. Was sollten wir tun? Himmel, ihr habt uns eine Scheißangst gemacht. Blendgranaten. Meine Augen sind übel zugerichtet, das kann ich euch sagen. Ich werde mit unserem Polizeichef darüber sprechen.«
    Loving hatte das angebliche Verbrechen gut gewählt. Hätte er von einem Drogendeal oder von Hilferufen eines Mädchens
berichtet, wie ich ursprünglich dachte, wäre ein normaler Streifenwagen mit uniformierten Beamten aufgetaucht. Waffenverkäufe dagegen riefen zivil gekleidete Detectives auf den Plan, was uns glauben ließ, es handelte sich um Loving und seinen Partner, und ihm weitere Zeit bei seiner Flucht