Schutzlos: Thriller (German Edition)
auf, ging zu Amanda und sah unter ihren Stuhl.
Pogue und ich legten neu an.
Und genau in diesem Augenblick führte Amanda die gefesselten Hände mit der Bärenhandtasche an ihren Mund. Sie zog den Reißverschluss mit den Zähnen auf und schaffte es, eine kleine schwarze Dose herauszufischen. Sie zielte ungelenk, doch es gelang ihr, eine Ladung Pfefferspray direkt in das verblüffte Gesicht ihres Entführers zu feuern, aus einem halben Meter Entfernung, genau in die Augen. Er schrie auf und ließ die Waffe fallen, nach der Amanda sofort hechtete. Der zweite Mann schwenkte seine Waffe in ihre Richtung.
»Nein!«, schrie Loving.
Pogue und ich feuerten gleichzeitig auf den Mann, der auf Amanda schießen wollte.
Henry Loving begriff sofort, was passiert war, und fegte die Lampen mit einem Arm vom Tisch. Sie zersprangen auf dem Boden, und es wurde dunkel im Raum. Die einzige verbliebene Beleuchtung war der rötliche Schein der drei Ausgangsschilder.
Pogue und ich sahen hinunter in das trübe Dunkel, und ich nahm undeutlich wahr, wie Amanda von den Männern fortkroch, hinein in die hindernisreiche Tiefe des Raums.
Dann hörte ich die drei verbliebenen Entführer flüsternd ihren nächsten Schritt planen.
63
Jetzt spielte es keine Rolle mehr, ob es einen Maulwurf in Freddys Dienststelle gab, jetzt, da Loving von unserer Anwesenheit wusste. Ich drückte auf SENDEN und schickte die SMS ab, die ich bereits vorbereitet hatte. Darin erklärte ich Freddy kurz die
Lage und bat dringend um Unterstützung. Ich teilte ihm außerdem mit, dass der Auftraggeber unterwegs war, damit er Straßensperren rund um die Anlage errichten ließ.
Amandas Heldentat hatte dafür gesorgt, dass wir jetzt alle Hilfe brauchten, die wir bekommen konnten.
Unsere Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, und wir schlichen die Treppe zu dem Kommandoraum hinunter. Ich sah undeutlich den Umriss einer Gestalt und zielte, aber da es ebenso gut Amanda hätte sein können, wartete ich, bis ich ein besseres Bild hatte.
Ich bekam aber keins. Er oder sie verschwand.
Ich hörte den Mann, den Amanda mit dem Pfefferspray erwischt hatte, schwer atmen und leise stöhnen. »Scheiße, tut das weh … Okay, okay, ich kann sehen. Ich habe meine Waffe. Wer zum Teufel ist hier?«
Von irgendwo nicht weit entfernt zischte Loving, sie sollten still sein.
Wo war Amanda?
Einen Augenblick später hörte ich erneutes Geflüster.
Loving spielte nun ein Spiel, das auf unvollkommener Information beruhte. Er wusste nicht, mit wem er es zu tun hatte. Wie viele wir waren, wer wir waren, was wir im Sinn hatten. Aber er würde von einem Moment zum nächsten neu einschätzen, wie sein Gegner handeln würde.
Er ging eventuell nur von einem Gegner aus, da er den zweiten Schuss aus Pogues schallgedämpfter Waffe sicher nicht hatte hören können. Er wusste, der Gegner hatte die Wache vor dem Eingang ausgeschaltet. Er wusste, sein Opponent war bereit, ohne Warnung zu schießen. Eine weitere Information, die er besaß, war, dass wir Glas in eine Ecke des Raums geworfen hatten, um ihn abzulenken. Das hieß, es handelte sich um eine sehr beschränkte Operation, ohne den Einsatz eines SWAT-Teams oder dergleichen. Wäre das Geiselrettungsteam des FBI im Einsatz
gewesen, dann wäre das Gebäude inzwischen beleuchtet wie der Times Square.
Loving würde davon ausgehen, dass er und seine Männer dem Gegner zahlenmäßig überlegen waren und dass sie immer noch Zeit hatten. Zeit, das Mädchen zu suchen und zu verschwinden.
Ein durchdringender Schrei erfüllte den dunklen Raum. Amanda. Sie war in meiner Nähe. Ich hörte die Geräusche eines Kampfs. Dann ein lautes Klappern, und ein Mann schrie vor Schmerz auf. »Ich brauche Hilfe. Sie hat mich mit diesem Scheißspray erwischt. Ich bin in der Nordwestecke …«
»Ruhe!«, rief Loving, während Pogue und ich uns instinktiv trennten und uns schnell in die angegebene Richtung bewegten. Ich schoss als Feuerschutz hoch an die Decke.
Die schattenhafte Gestalt bei der Tür hob die Waffe und gab einen Schuss in meine ungefähre Richtung ab. Pogue erwiderte das Feuer mit einer Salve aus drei Schüssen und schickte den Mann zu Boden; er war allerdings nicht getroffen, zumindest nicht schwer, da er weiter feuerte.
»Scheiße, sie ist entwischt«, rief eine andere Stimme.
»Wir sind Federal Agents«, rief ich. »Und draußen warten Teams.«
»Wir wissen, ihr seid zu dritt«, meldete sich Pogue ebenfalls. »Stellt euch alle drei mit erhobenen
Weitere Kostenlose Bücher