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Schutzlos: Thriller (German Edition)

Schutzlos: Thriller (German Edition)

Titel: Schutzlos: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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der Sonnenbräune nach, mit Gartenarbeit, wie ich aus den kurzen Fingernägeln folgerte, von denen zwei abgebrochen waren. Sie wirkte nicht sportlich, auch wenn sie im Gegensatz zu ihrem Mann schlank war. Das Haar war dunkelblond, gekräuselt und lang, zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug eine Brille, modisch, aber mit dicken Gläsern, eine Erinnerung an ihren alten Beruf. Wenn jemand wie eine Statistikerin beim Verkehrsministerium aussah, dann Joanne Kessler.
    Ihr Gesicht hatte Erschrecken ausgedrückt, als sie mich sah – offenbar hatte sie mich nicht hereinkommen hören –, und war dann vollkommen ausdruckslos geworden. Nicht versteinert oder kalt vor Wut. Sie war taub – ein Bücherwurm, den diese Ereignisse aus der Bahn warfen.
    »Das ist Agent Corte. Er arbeitet für das Justizministerium. Er ist Leibwächter.«
    Ich korrigierte Ryan nicht hinsichtlich meiner Berufsbezeichnung oder meines Arbeitgebers. Ich schüttelte Joannes schlaffe Hand und lächelte kurz. Ihre Augen blieben unbeteiligt.
    »Mrs. Kessler …«
    »Joanne.«
    »Sie wissen, worum es geht?«
    »Ry sagte, es hat eine Verwechslung gegeben. Jemand glaubt, er würde bedroht.«
    Ich blickte zu Ryan, der den Kopf schief legte.
    Ich behielt einen ruhigen Gesichtsausdruck bei und sagte zu Joanne: »Es kann sich um eine Verwechslung handeln, ja, aber Tatsache ist, dass auf jeden Fall ein Mann angeheuert wurde, um Informationen aus Ihrem Mann herauszuholen.«
    Das Blut wich aus ihrem Gesicht. »Sie glauben, wir könnten tatsächlich in Gefahr sein?«
    »Ja.« Ich klärte sie über Lifter im Allgemeinen und Henry Loving im Besonderen auf. »Ein freiberuflicher Vernehmungsspezialist«, fasste ich zusammen.
    »Damit wollen Sie aber nicht sagen, dass er Leute foltert oder so etwas?«, fragte Joanne leise, und ihre Augen blickten dabei gespenstisch emotionslos auf ihren Mann.
    »Das ist genau das, was ich sagen will«, antwortete ich.

4
    »Manche Lifter arbeiten mit Schmiergeld, andere mit Drohungen oder Erpressung mit peinlichen Informationen«, erklärte ich. »Aber der Mann, der hinter Ryan her ist, ja, der hat sich auf physische Entlockung spezialisiert.«
    »Physische Entlockung«, murmelte Joanne. »Spezialisiert. Sie stellen es hin, als wäre er ein Anwalt oder Arzt.«
    Ich sagte nichts. In diesem Beruf hält man nach allem Ausschau, was einem hilft, seinen Job zu machen. Es ist wie bei den Spielen, für die ich mich in meiner Freizeit begeistern kann – es sind ausschließlich Brettspiele. Ich mag es, meinen Gegner zu sehen. Ich lerne viel aus Körpersprache, verbalen Äußerungen, Augenkontakt, Kleidung. Selbst aus Atemmustern. Ich musste die Kesslers überzeugen, dass sie mich brauchten. Ich traf eine Entscheidung aufgrund dessen, was ich soeben in Erfahrung gebracht hatte. Ich sprach zu ihnen beiden, richtete meine Aufmerksamkeit jedoch größtenteils auf die Frau.
    »Lovings Mittel sind einfach«, sagte ich unaufgeregt. »Meist verwendet er Schmirgelpapier und Alkohol an empfindlichen Körperteilen. Hört sich nicht so schlimm an, funktioniert aber wirklich gut.«
    Ich bemühte mich, die Tatortfotos von der Leiche meines Mentors Abe Fallow nicht vor mir zu sehen. Es gelang mir nicht sehr gut.
    »O Gott«, flüsterte Joanne und schlug die Hand vor den schmalen Mund.
    »Grundsätzlich geht es einem Lifter darum, sich in eine vorteilhafte Position zu bringen. In einem Fall, in dem ich jemanden vor ihm geschützt habe, hatte er vor, in das Haus einzubrechen und ein Kind vor den Augen des Vaters zu foltern, von dem er Informationen haben wollte.«
    »Nein«, japste Joanne. »Aber… Amanda. Wir haben eine Tochter.« Ihr Blick huschte von einem Teil des Raums zum anderen und blieb dann auf der Spüle und dem schmutzigen Geschirr liegen. Beinahe eilig trat sie vor, griff sich ein Paar gelbe Küchenhandschuhe, zog sie an und drehte den Heißwasserhahn weit auf. Es passiert oft, dass sich Mandanten – manchmal regelrecht zwanghaft – auf die kleinen Dinge des Alltags konzentrieren. Auf Dinge, über die sie Gewalt haben.
    »Wir sollten tun, was Agent Corte sagt, und das Haus für eine Weile verlassen«, sagte Ryan.
    »Weggehen?«
    »Ja«, sagte ich. »Nur eine Vorsichtsmaßnahme.«
    »Sofort?«
    »Richtig. So schnell wie möglich.«
    »Aber wohin? In ein Hotel? Zu Freunden? Wir haben nicht gepackt. Sie meinen wirklich jetzt sofort?«
    »Sie müssen nur wenige Dinge mitnehmen. Sie würden in eines unserer sicheren Häuser gehen. Es

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