Schutzlos: Thriller (German Edition)
man zu Kreuze. Wenn es bedeutet, du musst Schädel einschlagen, dann hol den Schlagring raus. Weine, wenn du musst. Ein Schäfer existiert ausschließlich im Kontext seines Auftrags.
Deshalb hatte ich DuBois ins Spiel bringen – und um Verzeihung bitten lassen – müssen, während ich unsichtbar geworden war und Grahams Reaktion beobachtet hatte, als Claire ihm erneut unsere Theorie dargelegt hatte, dass er erpresst wurde. Ich hatte seine Manierismen zur Kenntnis genommen, seine Augen, seinen verbalen Ausdruck und seine Körpersprache. Ich hatte außerdem in seinem Arbeitszimmer nach allem Ausschau gehalten, was uns helfen konnte.
Und ich hatte vielleicht etwas gefunden.
Ich fischte den Kugelschreiber mit der Videokamera aus meiner Brusttasche und gab ihn DuBois. »Ich habe etwa ein Dutzend Fotos in seinem Arbeitszimmer gemacht, von den Leuten auf den Bildern an der Wand. Laden Sie sie auf unseren Server. Ich möchte Gesichtserkennung für alle. Lassen Sie alle Daten, die Sie kriegen, zusammen mit den Fakten aus diesem Fall durch ORK laufen.«
Das war der Computer, auf den DuBois in ihrer Mea-culpa-Vorstellung bei Graham angespielt hatte.
Der Algorithmus in seinem Herzen war elegant – der Mathematiker in mir war von seiner Wirkungsweise wahrhaft beeindruckt –, und wenn es in den von mir gesammelten Beweismitteln irgendwelche Relevanz zu entdecken gab, dann war ORK dazu in der Lage. »Und lassen Sie ein Kinesik-Profil von ihm erstellen – einen Lügendetektor-Scan.«
DuBois nahm den Kugelschreiber, schloss ihn an ein USB-Kabel und schickte das Video in den Äther. Sie starrte aus dem Fenster. Ich fragte mich, für wie lange ich sie verloren hatte.
Ich fragte mich außerdem, ob diese Sache auf Dauer etwas zwischen uns verändert hatte.
Während wir schweigend zum Hyatt zurückfuhren, um ihren Wagen zu holen, hörte ich mein Handy läuten. DuBois hielt es immer noch in der Hand. »Eine SMS für Sie«, sagte sie und wollte es mir zurückgeben.
»Lesen Sie vor.«
»Sie ist von der Transportabteilung. Die Kopie einer Nachricht an Westerfield.«
»Weiter.«
Sie seufzte. »Der gepanzerte Transporter, den Sie bestellt haben, hat das sichere Haus vor fünfzehn Minuten verlassen. Er ist jetzt auf dem Weg zum Gefängnis.«
25
Der Himmel wurde immer bewölkter, stumpfes Grau vermischte sich mit Sepia, als ich auf das Gelände des sicheren Hauses in Great Falls fuhr.
Ich stieg aus und streckte mich; Blätter wirbelten im böigen Wind vorbei.
Die ländliche Umgebung weckte starke Heimatgefühle – die Bäume und Sträucher, die Wiesenhänge voll wild wucherndem Gras. Mein frühes Erwachsenenleben hatte sich überwiegend in Klassenzimmern und Vorlesungssälen abgespielt, und beruflich und privat hatte ich mich seither viel in Büros und sicheren Häusern aufgehalten, aber ich hatte immer Wege gefunden, ins Freie zu kommen, manchmal Stunden oder Tage am Stück.
Ich blickte neidisch zu den Fußwegen, die zum Potomac oder weiter in den dichten Wald führten, dann wandte ich mich ab und las eine neue SMS von Billy darüber, wie der gepanzerte Wagen auf dem Weg zum Knast in D. C. vorankam. Ich überlegte, ob Jason Westerfield und seine Mitarbeiterin dort sein würden, um ihn zu begrüßen, und mir wurde klar: Natürlich würden sie dort sein.
Ich stieg die Eingangsstufen hinauf und gab den Code ein. Die Tür zum sicheren Haus ging auf.
Und ich nickte Maree und Joanne zu, die einander an einem wackligen Kartentisch gegenübersaßen, mit Tee und Keksen in Reichweite.
Ja, ein gepanzerter Transporter war unterwegs – auf einer umständlichen, komplizierten Route, nebenbei bemerkt –, aber er war leer.
Unter keinen Umständen würde ich die Kesslers zu einem Knast schicken, schon gar nicht zu einer nur mittelschwer gesicherten Einrichtung im District. Seit meiner ursprünglichen
Entscheidung gegen ein Gefängnis hatte sich nichts verändert, und wenn Westerfield glaubte, ich würde meine Mandanten als Köder benutzen, so war das sein Problem und nicht meins.
Mir war klar, dass mich Aaron Ellis möglicherweise feuern würde, wenn der Staatsanwalt genügend Stunk machte. Aber er würde mich nicht feuern, bevor der Job abgeschlossen war. Zum einen wusste er nicht, wo ich war, und es würde ihn einige Mühe kosten, es herauszufinden. Und er konnte es nicht, ohne zu riskieren, dass jemand von außerhalb Kesslers Aufenthaltsort erfuhr. Und das würde er nicht tun.
Zu meiner Erheiterung sah ich, dass die
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