Schutzlos: Thriller (German Edition)
Jahren Schiss bekamen und zu plaudern anfingen, ist es nicht mehr ganz so schwer, an Informationen zu kommen. Aber die Spur ist wirklich kompliziert.« Sie zog ein Blatt Papier aus ihrem Ordner und zeigte mir ein kunstvolles Diagramm in ihrer eleganten Handschrift. »Es ist mir gelungen, jemanden bei Interpol in Europa und beim MI6 in Großbritannien aufzutreiben. Sie haben noch spät gearbeitet oder schon früh oder rund um die Uhr, keine Ahnung. Um es zusammenzufassen: Das Geld der Investoren geht von D. C. nach Georgetown – ha, das ist witzig, merke ich gerade. Das Georgetown auf den Cayman Islands, nicht das Georgetown, wo ich einkaufen gehe. Von dort wandert das Geld nach London und Marseille, Genf und Athen. Raten Sie mal, wohin dann.«
Pamuks Vater war Türke, deshalb tippte ich auf Istanbul oder Ankara.
Aber die richtige Antwort war interessanter. »Riad.«
Saudi-Arabien, die Heimat der meisten Flugzeugentführer vom 11. September. Westerfields Terrorverbindung, die ich für reichlich spekulativ gehalten hatte, sah zunehmend plausibler aus.
»Zu einer britischen Scheinfirma. Und von dort geht es zu weiteren Firmen im ganzen Nahen Osten, aber – was sagt man dazu – es sind keine nahöstlichen Firmen. Sie sind in Amerika, Frankreich, Österreich, Schweiz, England, China, Japan und Singapur registriert. Es sind alles Scheinfirmen, jede einzelne. Sie bekommen das Geld, und von da an ist es verschwunden.«
Ich trank von dem bitteren Kaffee. »Die Investoren bekommen ihr Geld also nicht zurück, weil es dazu verwendet wird, Terroranschläge von Hisbollah, Hamas, den Taliban und Al Qaida zu finanzieren«, fasste ich zusammen.
»Das war meine Überlegung.«
Es war eine clevere Idee, mit Hilfe eines Schneeballsystems Einnahmen für Terroristen zu erwirtschaften. Das Geld, das Pamuk einsammelte, würde nicht nur Terrorunternehmungen finanzieren, sondern hatte noch eine Sekundärwirkung: Es zerstörte das Leben von Menschen im Westen, die ihre Ersparnisse bei Pamuk angelegt hatten.
»Wo stehen wir im Moment?«
»Die Saudis sind nicht kooperativ. Was nicht überrascht. Außenministerium, Interpol und FBI wühlen ein bisschen herum, um vielleicht herauszufinden, wer genau das Geld bekommt.«
Ich nahm an, dass Pamuk möglicherweise ein Strohmann war, wahrscheinlich ausgesucht, weil er in seiner Nachbarschaft gut vernetzt war – und wegen seiner Sympathien für fundamentalistische
Ideen. Ich fragte mich, ob er derjenige gewesen war, der Loving angeheuert hatte, oder ob das jemand im Nahen Osten gewesen sein musste.
»Haben sie gesagt, wann wir mit Ergebnissen rechnen können?« , fragte ich.
»Bis morgen, hoffen sie.«
Hoffen sie …
»Jetzt zu Graham«, sagte ich.
Sie verzog das Gesicht. »Tut mir leid.«
Wir drohen. Wir bluffen nicht.
Ich zuckte mit den Achseln. Sie hatte ihre Lektion gelernt. Die Frage war, wie man mit der aktuellen Situation umging.
Ich trank meinen Kaffee aus. »In unserer Arbeit …«, begann ich mit meiner Mentorenstimme.
»Ja?«
»Müssen wir manchmal Dinge tun, die uns auf die Probe stellen. Uns an unsere Grenzen bringen.«
Sie war still geworden. Ungewöhnlich für sie. Aber sie sah mir in die Augen und nickte leicht.
»Und genau das müssen wir jetzt tun … Aber es geht wirklich über die reine Pflichterfüllung hinaus. Ich kann es Ihnen nicht befehlen.«
DuBois berührte den einzelnen Knopf, der ihre Jacke zuhielt, unbewusst, nahm ich an. In ihrem Hosenbund steckte eine Waffe ähnlich wie meine, die kompakte Glock. Ich hatte ihre Trefferquoten gesehen. Sie war eine gute Schützin, und ich erinnerte mich daran, wie sie auf unserem Schießstand aussah, der Blick hoch konzentriert unter der Brille mit den gelben Linsen, das kurze dunkle Haar komisch wegstehend unter den dicken Ohrenschützern. Immer mit einer dichten Trefferanordnung auf fünfzig Meter.
Mögliche Terrorverbindung, würde sie denken, mögliche Verbindung zum New-Jersey-Syndikat, sogar eine Art Verschwörung
im Verteidigungsministerium. Würde es zu einem Feuergefecht kommen?
Sie räusperte sich. »Was immer Sie brauchen, Corte.«
Ich schaute sie durchdringend an. Ihre ruhigen blauen Augen, die straffen Lippen, die gleichmäßige Atmung. Sie war bereit für das, was vor uns lag.
»Gehen wir.«
24
»Mr. Graham?«
Ich zeigte meinen Ausweis, den der Mann ansah, als hätte er unser Auftauchen den ganzen Tag erwartet, was wahrscheinlich sogar der Fall war.
Eric Graham hatte kurzes, penibel
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