Schutzlos: Thriller (German Edition)
medizinisches Personal Schusswunden bei der Polizei anzeigen muss. Banden und das organisierte Verbrechen haben Ärzte, Schwestern, sogar Tierärzte zur Hand, die solche Wunden behandeln und praktischerweise vergessen, die 911 zu wählen. Wir kannten einige dieser Mediziner und überwachten sie routinemäßig (wir verhafteten sie allerdings nicht, da sie eine unschätzbare Hilfe beim Aufspüren verwundeter Lifter oder Killer waren).
Loving würde alle diese natürlich meiden, wie ich DuBois nun mitteilte. »Er wird eine Privatperson finden, jemanden, von dem wir nichts wissen. Gehen Sie alle Akten durch, die wir über ihn haben, überprüfen Sie Adressen, an denen er gesehen wurde, Telefongespräche, alles. Auch öffentliche Unterlagen.«
Sie würde ORK und andere Programme zum Data-Mining verwenden.
»Ich werde sehen, was ich finden kann«, sagte sie. »Und, Corte?«
Mein Name wieder. »Ja.«
»Diese Aufnahmen, die Sie in Grahams Haus gemacht haben … Die Analyse läuft noch.«
»Gut.«
Sie zögerte. »Ich habe nachgedacht, und es gab keinen anderen
Weg, die Informationen von ihm zu bekommen. Mir hat das nicht gefallen, was Sie da von mir verlangt haben, damals nicht und später nicht. Aber es war ziemlich clever. Ich werde es mir merken.«
»Es gab keine andere Möglichkeit«, wiederholte ich.
Ich beendete das Gespräch mit DuBois, und wir fuhren eine Weile schweigend weiter. Carter bat, das Radio anmachen zu dürfen, und ich sagte: »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich es lieber auslassen. Dann kann ich mich besser konzentrieren.«
»Ach so. Natürlich.«
Ich sah, dass mich Amanda im Spiegel anblickte.
»War das alles wegen mir eben?«, fragte sie. »Wegen meines Blogs?«
»Ja. Er hat deinen Internet-Namen über ein soziales Netzwerk mit deinem richtigen Namen verknüpft. Er hat den Eintrag zu Bills Nachbarn und dann zu seinem Haus zurückverfolgt.«
Sie schloss die Augen. »Es tut mir leid … Ich dachte, Sie meinten, dass ich meinen Computer nicht benutzen darf. Ich wusste nicht, dass er uns aufspüren kann, schon gar nicht, wenn ich meinen Spitznamen verwende.«
Aber sie war ein kluges Mädchen. Sie musste eine Ahnung von der Gefahr gehabt haben, doch in ihrer jugendlichen Selbstvergessenheit und ihrem Eifer hatte sie das Ganze entweder nicht durchdacht oder sich nicht darum geschert. Wahrscheinlich ein bisschen von beidem.
»Es war nur, weil es mir wirklich schlecht ging wegen Susan – diesem Mädchen an der Schule.«
»Das sich umgebracht hat?«, fragte ich.
»Das ist es ja. Es war ein Autounfall, aber sie fuhr sehr schnell und bescheuert, als wäre es ihr egal, ob sie dabei stirbt. Das ist eine Art von Selbstmord, sagen unsere Psychologen. Darüber wollte ich bloggen, damit die Leute erfahren, dass waghalsiges
Verhalten genau dasselbe sein kann, als wenn man Pillen nimmt oder sich aufhängt.«
Ein seltsamer Gedanke ging mir durch den Kopf. Dieses Mädchen, das sich so engagiert um andere kümmerte, war auf ihre Art ebenfalls ein Schäfer. Falls ich eine Tochter gehabt hätte, wäre sie wohl ebenso geworden wie Amanda? Ich wäre jedenfalls stolz auf sie gewesen.
Doch dieser Gedanke wurde wie so viele andere heute in den Abfall verbannt.
»Er wollte mich töten?«, fragte sie in dem emotionslosen Ton eines Menschen, der nicht wirklich glaubt, dass er je sterben könnte.
Carter regte sich, um das Mädchen zu beruhigen. Ich wusste inzwischen jedoch, dass es nicht nötig war, Amanda zu verhätscheln. »Nein. Er wollte dich entführen und deinen Vater dazu bringen, ihm etwas zu verraten.«
»Was?«
»Das wissen wir nicht.«
Sie verstummte und blickte aus dem Fenster.
Manche Lifter haben ihre Grundsätze. Einige würden Frauen und Kindern nichts antun. Manche verlassen sich auf psychologischen oder beruflichen Druck, auf die Gefahr einer Bloßstellung oder eines finanziellen Verlusts. Es gibt Fälle, die sie nicht übernehmen würden, oder Grenzen dessen, was sie tun würden, um Informationen zu erpressen. Sie schätzen ihre Opfer ab und wenden das Minimum an Druck an, der notwendig ist, um an die Information zu kommen, derentwegen sie engagiert wurden. Das andere Extrem sind Leute wie Henry Loving, die jedes Mittel anwenden, das ihnen angemessen erscheint.
Seltsamerweise achte ich diese Killer und Lifter mehr als die anderen. Sie sind ihren Grundsätzen so treu wie ich meinen. Sie legen ihr Ziel fest und erreichen es so effizient wie möglich. Das macht sie berechenbarer.
»Ist
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