Schutzlos: Thriller (German Edition)
Joanne total ausgerastet?«, fragte Amanda.
»Eigentlich nicht«, sagte ich.
»Bestimmt nicht?« Eine sarkastische Frage.
»Na gut, sie ist ausgerastet. Aber sie ist in Sicherheit, bei deinem Vater und deiner Tante.«
»Gut … Es tut mir leid, Onkel Bill. Ich habe irgendwie alles versaut.«
Sie zögerte nicht, die Verantwortung für das zu übernehmen, was gerade passiert war.
Alles wird gut.
Ich verlangsamte, setzte den Blinker und bog ab. Amanda runzelte die Stirn und betrachtete das flache, steinerne Gebäude, dem wir uns näherten. »Ich …«, stotterte sie los. »Bringen Sie uns wegen dem, was ich getan habe, hierher? Ich meine …«
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Nein, nein, das ist nur ein sicherer Ort, wo du und Bill die Nacht verbringen könnt.«
Dann rollte ich vor das Eingangstor des Hochsicherheitsgefängnisses von Northern Virginia.
30
»Was ist los? Wo haben Sie gesteckt?«
Die Stimme meines Chefs knatterte drängend durch meinen Ohrstöpsel. Verärgerung und Wut – überhaupt jede Gefühlsregung – erscheinen immer gedämpft, wenn sie durch Plastik und Metall aus China gefiltert werden, aber Ellis’ Stimmung war nicht misszuverstehen.
»Loving hat eine Spur zu Kesslers Tochter gefunden. Sie ist in Sicherheit. Loving ist verwundet.«
»Wie schwer?«
»Das wissen wir nicht. Er hat nicht viel Blut verloren… Er wurde mit einem Hubschrauber herausgeholt, Aaron.«
»Wie bitte?«
»Claire versucht, ihn ausfindig zu machen. Haben Sie je gehört, dass ein Lifter einen Hubschrauber auf Abruf bereitstehen hatte?«
Kurzes Nachdenken. »Nein, noch nie.«
»Das heißt, sein Auftraggeber ist reich oder hat beruflich Zugang zu Hubschraubern, ohne dass viel Papierkram nötig ist.«
»Wie sieht Ihr nächster Schritt aus?«
»Ich habe die Tochter gerade in einem Kittchen untergebracht, in einem, das sicher ist. Sie läuft unter falschem Namen, als Augenzeugin eines Auftragsmords im Drogenmilieu. Selbst wenn Loving jemanden da drin hat, wird er sie vermutlich nicht beachten, und ich habe ihre Bewacher jede Kommunikation nach draußen für heute unterbinden lassen. Wir untersuchen immer noch die beiden Hauptfälle Kesslers, um den Auftraggeber zu finden. Claire forscht nach Ärzten, von denen er sich möglicherweise zusammenflicken lassen könnte.«
»Hören Sie, Corte«, sagte Ellis. »Ich tue ja, was ich kann …«
»Wegen Westerfield.«
Daher rührte die Laune meines Chefs natürlich.
»… wegen Westerfield. Warum haben Sie ihn nicht einfach ignoriert? Warum haben Sie gelogen wegen des Knasts in D. C.?«
»Um Zeit zu gewinnen. Wenn ich ihn ignoriert hätte, hätte er womöglich versucht, mich zu finden. Ich war im Außeneinsatz. Ich kann es mir nicht leisten, festgenommen zu werden, während ich gerade auf Mandanten aufpasse. Schon gar nicht in einem Fall mit Henry Loving.«
»Er könnte trotzdem dafür sorgen, dass Sie gefeuert werden.«
»Ich dachte, wir würden inzwischen eine Antwort haben. Was den Auftraggeber angeht.«
Oder Loving in einem Leichensack. Wäre er bei diesem Haus am See aufgestanden, als ich es hoffte, könnte der Fall durchaus vorbei sein.
»Aber wir haben keine.«
»Nein. Bitte halten Sie ihn mir für diese Nacht noch vom Leib, Aaron. Sagen Sie ihm, wir haben eine heikle Operation laufen.«
»Eine, um Loving zu finden?«
»Nein, das würde nur Öl ins Feuer gießen. Sagen Sie ihm, ich habe Spuren zum Auftraggeber. Sagen Sie ihm, die Terrorspur erweist sich als ergiebig.«
»Im Ernst?«
Eine legitime Frage, wenn man bedachte, mit welchen Täuschungsmanövern ich bisher bei diesem Job gearbeitet hatte.
»Ja. Es fließt Geld in den Mittleren Osten. Ein Teil davon landet über ein Dutzend Scheinfirmen in Saudi-Arabien.«
»Na, das ist interessant.«
»Westerfield wird es lieben. Ein hübscher Fall für sein Revers. Ich habe außerdem ein bisschen Aufklärung bei Graham betrieben – dem Kerl mit dem gefälschten Scheck. Claire überprüft es gerade. Wir kommen voran. Aber ich behalte die Kesslers. Stellen Sie mich ruhig als den Schurken hin, damit habe ich kein Problem. Aber ich kann sie nicht gehen lassen.«
Ein Seufzer. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Wir legten auf, und ich wendete, um zum sicheren Haus in Great Falls zurückzukehren. Ich hatte Ahmad angerufen, ihm erzählt, was los war, und erfahren, dass beim Haus alles ruhig war, auch wenn Joanne und ihr Mann sich offenbar gezankt hatten. Es ging um irgendeine
Weitere Kostenlose Bücher