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Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
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beugte sich über ihn und schob das Rollo hoch. Kluftinger drehte den Kopf demonstrativ in die andere Richtung, was er schon nach kurzer Zeit mit einem steifen Nacken bezahlte. Als der Kapitän sich dann noch einmal meldete, um ihnen die aktuelle Außentemperatur samt Luftfeuchtigkeit durchzugeben, wurde es Kluftinger zu bunt. Er packte seine Brotzeit aus und kommentierte, indem er den Tonfall der Durchsagen nachahmte: »Meine Damen und Herren, ich packe nun meinen mitgebrachten Presssack aus, der über eine Kerntemperatur von geschätzten siebzehn Grad verfügt. Dazu lege ich im Neunziggradwinkel eine Scheibe Brot und nordnordöstlich daneben eine kleine Tube Senf, die ich nun auf dem Presssack verteile …«
    »Wissen Sie, es gibt durchaus Menschen, die sich für diese Durchsagen interessieren.«
    Kluftingers Kopf fuhr herum. Neben ihrer Sitzreihe stand die Stewardess, die er gedanklich bereits Zenzi getauft hatte, wie die Kuh auf dem Hof seiner Nachbarn, die ihm auf dem Schulweg immer solche Angst eingejagt hatte.
    »Oh … äh, also ich …« Der Kommissar lief rot an. Dann beschloss er, die Flucht nach vorn anzutreten. »Fräulein, würden Sie mir bitte einen Filterkaffee bringen und ein bissle Milch dazu? Und ein kleines Bier.«
    Zenzi lächelte ihn süßlich an. »Vielleicht noch ein Stück Kuchen aus unserer Frischetheke? Mit Sahne dazu?«
    »Ja, wenn das geht, dann das bitte auch.«
    Ihr Lächeln verschwand. »Das ist hier doch kein fliegendes Wirtshaus. Wir werden in Kürze mit unseren Snacks durchgehen, so lange müssen Sie schon warten.« Dann rauschte sie davon.
    Schulterzuckend packte Kluftinger seine Brotzeit wieder ein. Ohne etwas zu trinken, wäre es für ihn nur der halbe Genuss. »Ich geh mal schnell aufs Klo«, sagte er zu Maier und zwängte sich an ihm vorbei nach draußen. Vor der Toilettentür wartete bereits eine Frau, die er fragte, wo sich denn die Herrentoilette befinde, wofür er nur einen feindseligen Blick erntete, gefolgt von dem Kommentar: »Sobald Sie drin sind, ist es eine.«
    Als er schließlich an der Reihe war, die Tür abgeschlossen und gerade seinen Reißverschluss geöffnet hatte, leuchtete das Gurtanschnallzeichen auf, gepaart mit einem warnenden Klingelton. Kluftinger fuhr es wie ein Blitz in die Magengrube. Mein Gott, jetzt war es also so weit, sie stürzten ab! Er riss die Tür auf, sprintete an seinen Platz und warf sich an Maier vorbei förmlich in seinen Sitz, worauf dem Kollegen ein »Aua, spinnst du?« entfuhr. Dann zog er mit zitternden Fingern seinen Gurt fest.
    »Geht’s eigentlich noch?«, fragte Maier.
    »Ja, hast du denn nicht gesehen?« Kluftinger zeigte mit glühenden Wangen auf das leuchtende Gurtsignal.
    »Das?« Maier lachte. »Das bedeutet doch nix. Das machen die immer an, wenn sie meinen, es könnte leichte Turbulenzen geben. Ist aus versicherungstechnischen Gründen. Wenn einer stolpert oder so. Aber da passiert nie was.«
    »Du meinst, wir stürzen gar nicht ab?«
    »Abstürzen? Ach, quatsch, wer sagt denn so was?«
    »Wer? Da … da vorne hat einer so was … behauptet.«
    Maier schüttelte den Kopf. »Echt? Deppen gibt’s, also wirklich. Übrigens: Deinen Reißverschluss kannst du jetzt wieder zumachen.«
    Fast zehn Minuten brauchte Kluftinger, um sich wieder so zu beruhigen, dass ein erneuter Gang auf die Toilette möglich war. Er quetschte sich also erneut aus seinem Sitz und wartete vor dem gerade rot leuchtenden WC-Schildchen. Fünf Minuten später öffnete sich die Tür, und ein dicker, ungepflegt wirkender Mann, der eine Illustrierte unter den Arm geklemmt hatte, trat heraus, zögerte kurz, als er Kluftinger sah, grinste ihn dann an und zwängte sich an ihm vorbei. Der Kommissar sah ihm kurz nach, ging dann erneut in das bei diesem Fluglärm nicht allzu stille Örtchen – und bekam feuchte Augen. Ein bestialischer Gestank erfüllte die winzige Kabine. Automatisch hielt er die Luft an, doch er wusste, dass er sein eigenes kleines Geschäft nicht ganz ohne zu atmen würde verrichten können. Er presste also sein Gesicht in die Armbeuge und klappte mit der anderen Hand die Klobrille hoch. Als ihm sein erster Atemzug klarmachte, dass das bei dieser Geruchsbelastung nicht ausreichen würde, packte er seinen Pullover am Ausschnitt und zog ihn sich über die Nase, wobei er die Schultern fast bis zu den Ohren heben musste, damit diese provisorische Gasmaske auch bestehen blieb. Diese Anstrengung verschaffte ihm zumindest kurzzeitig olfaktorische

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