Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
offenbar gemerkt hatte, wie unwohl ihm hier drin war. »Du, Richie, die haben doch ein Klo hier, oder?«
»Schon.«
»Ich geh noch mal schnell.« Während des Fluges war es sicher verboten, die Toilette zu benutzen.
»Nein, jetzt darfst du nicht. Das geht erst wieder, wenn wir gestartet sind!«
Priml. Dabei hätte er dringend gemusst, weil sich der Inhalt der Saftflasche, die er eben noch so hastig geleert hatte, wieder meldete. Missmutig untersuchte er das Ablagenetz vor sich, fand darin jedoch nur ein Magazin der Fluggesellschaft, eine laminierte Karte mit Sicherheitshinweisen und immerhin einen praktischen Müllbeutel mit der rätselhaften Aufschrift »Sick Bag«.
Nun begann das, wovon er schon öfters gehört hatte: die Sicherheitsvorführung der Flugbegleiter. Während die Triebwerke des Flugzeugs bereits zu röhren begannen, stellte sich die älteste der Stewardessen, eine dünne Frau mit streng zurückgekämmten Haaren, in die Mitte des Ganges und vollführte zu einer Bandansage ausladende Handbewegungen mit den Armen, was Kluftinger ein bisschen an den Tanzstil von Doktor Langhammer erinnerte. Er wischte den Gedanken jedoch gleich wieder beiseite, denn er wollte der Darbietung dieser im Notfall lebensrettenden Anweisungen aufmerksam folgen. Ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Fluggästen, die sich weiter unterhielten, in Zeitschriften blätterten oder im Stehen ihre Jacken auszogen, was dem Kommissar das Zuschauen erheblich erschwerte. Auch Maier schien sich nicht dafür zu interessieren, denn er tippte gelangweilt auf dem Touchscreen seines Handys herum.
Der Kommissar boxte ihn mit dem Ellenbogen in die Seite: »Jetzt pass halt auch mal auf, das ist wichtig.«
Er erntete nur ein mildes Lächeln. »Ach, da schaut doch niemand zu, das ist total uncool, ehrlich.«
»Ja, und? Lieber uncool als tot.«
»Kannst mich ja dann retten, wenn du als Einziger beim Crash lebendig rauskommst, weil du zugehört hast.«
Als die Stimme vom Band darauf hinwies, dass man alle elektronischen Geräte abschalten solle, weil diese die Bordinstrumente stören könnten, herrschte Kluftinger seinen Kollegen an, dem umgehend Folge zu leisten, er wolle nicht wegen dessen blöden Telefoncomputerdings sterben.
Dann wandte Kluftinger sich wieder der Frau in der hellblauen Uniform zu, die gerade mit routiniert wirkenden Bewegungen die Funktionsweise des Gurtes erklärte. Kluftinger vollzog jeden ihrer Schritte nach, öffnete und schloss den Gurt probehalber noch einmal, kontrollierte die aufrechte Position seines Sitzes und die Verriegelung des Tischchens vor sich, versicherte sich, dass Maiers Handgepäck ordnungsgemäß verstaut war, ahmte eifrig die Bewegungen bei der Erklärung der Sauerstoffmaske pantomimisch nach, was ihm jedoch einen bitterbösen Blick der Stewardess eintrug. Irgendwann wurde ihm die dargebotene Informationsfülle jedoch zu viel, und er zog einen seiner Bedienungsblöcke hervor, die er immer bei sich trug, um sich das Wichtigste mitzunotieren. Die Flugbegleiterin schien dieses ungewohnte Interesse an ihren Ausführungen zu irritieren, und ihre Stirn bewölkte sich zunehmend. Offensichtlich vermutete sie, dass der Kommissar sie veräppeln wolle.
Als die Lautsprecherstimme schließlich sagte, alle, die an einem Notausgang säßen, sollten sich fragen, ob sie sich den Anforderungen dieses Platzes – andere zum Notausgang geleiten, notfalls die Tür öffnen – gewachsen fühlten, kritzelte der Kommissar ein dreimal unterstrichenes » NEIN !« in seinen Block. Dann hielt er auf einer kleinen Skizze die Lage der anderen Notausgänge fest.
»Wenn Sie Fragen haben, melden Sie sich jederzeit bei unserem Kabinenpersonal«, endete die Ansage schließlich, und im selben Moment schoss Kluftingers Finger in die Höhe. Er nahm ihn auch während der Wiederholung der Durchsage auf Englisch nicht herunter, bis die Stewardess zu ihm kam und ihn mit mühsam abgerungener Freundlichkeit fragte: »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich hätt da noch ein paar Fragen, Fräulein.« Kluftinger blätterte in seinen Notizen. »Wie ist das mit der Sauerstoffmaske, kommt die von selber runter, oder muss ich da was drücken?«
»Nein, die kommt von selbst«, sagte sie leise, als fürchte sie, ihre Unterhaltung könne mit angehört werden. Dann wandte sie sich zum Gehen.
»Und gibt’s auch so eine Schwimmweste?«
»Ja, die gibt es, aber da wir nicht übers Meer fliegen, werden Sie die wohl nicht brauchen.«
»Aber es gibt auf
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