Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
mein Kollege meint, ist: Wir haben bis jetzt keinen Tatverdächtigen für den Mord an der alten Zahn finden können. Jetzt haben wir einen: Sie. Ich häng Ihnen das Ding an, wenn Sie hier nicht mit uns kooperieren. Es gibt genügend Indizienprozesse, die mit einer lebenslänglichen Strafe für den Angeklagten enden. Die Leute wollen einfach einen Schuldigen sehen bei so etwas. Wie gesagt: Wir hängen Ihnen das an, verlassen Sie sich drauf!«
Strehl atmete tief ein, dann hielt er eine Weile die Luft an.
»Also gut«, begann er auf einmal, und Kluftinger hatte den Eindruck, Entschlossenheit in seiner Stimme zu hören, »wahrscheinlich ist es das einzig Vernünftige, wenn ich jetzt auspacke. Ich hab auch, ehrlich gesagt, keine Lust, für die anderen in den Bau zu gehen.«
Kluftinger nickte Strehl aufmunternd zu. Schließlich sagte der leise: »Was wollen Sie wissen?«
Kluftinger und Maier tauschten einen flüchtigen Blick. Nun hatten sie ihn so weit. Der Kommissar spürte Genugtuung: Offenbar hatte er mit seiner Drohung Strehls wunden Punkt erwischt. »Was wollten Sie hier in Wien? War das nur ein Besuch zur Vorbereitung, oder wollten Sie den Schatz hier klauen?«
»Also: Natürlich können Sie sich denken, dass ich hier nicht eine Replik der Reliquienmonstranz bei mir habe, weil ich so ein großer Anhänger von Sakralkunst bin, dass ich das Zeug nachbaue und dann damit in Europa herumreise. Ich muss sagen, dass mich das Angebot gereizt hat. Man bekommt nicht jeden Tag den Auftrag, etwas so Aufwendiges und Filigranes herzustellen.«
»Wie genau hätte der Coup denn hier laufen sollen?«, wollte Bydlinski wissen.
Strehl kaute auf seiner Unterlippe. Zögernd antwortete er: »Ich … wir mussten umdisponieren, wegen des … Zwischenfalls.«
Kluftinger lief rot an. »Zwischenfall? So nennen Sie den kaltblütigen Mord an einer alten Frau? Wer hat das getan?«
»Ich weiß auch nicht, wer’s war. Ich jedenfalls nicht. Ich war nicht einmal dabei, als es passiert ist, und habe mir ernsthaft überlegt, danach auszusteigen. Mit so etwas will ich echt nichts zu tun haben.«
»Ihre Skrupel waren dann aber wohl doch nicht so groß, was?«, fragte Maier provozierend.
Strehl wurde kleinlaut: »Nein, das Projekt war einfach zu verlockend. Und Magnus kann sehr überzeugend sein.«
»Magnus?«
»Ja. Das heißt: nein. Ich weiß nicht, wie er wirklich heißt. Ich kenne ihn nur unter diesem Namen. Und unter seinem … wie soll ich das nennen? Künstlernamen?«
»Wie lautet der?«, fragte Kluftinger, auch wenn er es bereits ahnte.
»Man nennt ihn gemeinhin den Schutzpatron.«
Die Beamten sahen sich vielsagend an.
»Wo ist er jetzt?«, wollte Maier wissen.
»Ich hab keine Ahnung. Meinen Sie denn, er würde mir das sagen? Wir haben uns heute früh wie verabredet vor dem Museum getroffen, keine Ahnung, wo er herkam und wo er danach hingegangen ist. Und wie man sieht, hat seine Vorsicht durchaus eine gewisse Berechtigung.« Strehl lachte, doch keiner der Polizisten lachte mit.
»Gut, darüber reden wir noch«, schloss Kluftinger das Thema erst einmal ab. »Jetzt zu Ihrem Ausflug nach Wien: Was wollten Sie denn nun im Museum?«
Der kleine pausbäckige Mann knetete seine Hände. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen. Dann sagte er: »Wir wollten es hier machen.«
»Aha. Und wie?«
»Durch Austausch. Wir wollten uns abends einsperren lassen und es gegen die Kopie austauschen, die ich angefertigt hab. Aber …«
»Aber wir waren vorher da!«, unterbrach ihn Bydlinski.
Kluftinger schüttelte den Kopf, um ihm zu verstehen zu geben, dass er sich besser aus der Unterhaltung raushalten solle.
»Ja, das auch«, fuhr Strehl fort. »Aber es wäre eh nicht machbar gewesen. Nicht in dieser kurzen Zeit. Nachdem wir den ursprünglichen Plan modifizieren mussten, hatten wir gedacht, vielleicht könnten wir hier, vielleicht in der Nacht, als Putzteam getarnt … aber es ging eben nicht. Zu viele Unbekannte in der Gleichung.«
»Wie geht es jetzt weiter? Und erzählen Sie mir nicht, der Schutzpatron hätte aufgegeben, das glaubt Ihnen kein Mensch.«
Strehl schürzte die Lippen. »Was ist denn jetzt genau für mich drin, wenn ich Ihnen das sage?«
Der Kommissar lächelte. »Sie sollten lieber fragen, was für Sie drin ist, wenn Sie’s nicht sagen. Vorbereitung einer Straftat, Beihilfe zum Mord, sag ich da nur. Wir finden was, verlassen Sie sich darauf! Kooperieren Sie, und Sie bleiben ein freier Mann.« Er bluffte, aber das
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