Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
gezischtes »Hey, hast du den Arsch auf?« entfuhr.
Doch der andere deutete nur mit dem Kopf nach vorn, und Magnus schluckte. Sie hatten sich den denkbar ungünstigsten Zeitpunkt für ihre Rückkehr ausgesucht. Ein Polizeiwagen stand in der Einfahrt, dazu noch ein paar andere Autos, und einige Männer liefen auf dem Hof herum.
»Scheißdreck«, schimpfte Magnus. »Dreh um und hau ab, aber nicht zu schnell, sonst haben wir sie am Hals.« Er öffnete das Handschuhfach und zog eine Baseballkappe heraus, die er sich tief ins Gesicht zog. Christophorus wollte eben wenden, wurde jedoch von einem der auf dem Hof herumlaufenden Männer, einem untersetzten, rotwangigen Mann mit Trachtenjanker, aufgehalten, der wild winkend auf sie zukam.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Christophorus mit hoher Stimme, an der Magnus erkannte, dass seine Nerven schon wieder flatterten. Seine linke Hand wanderte unsicher nach unten ins Ablagefach der Fahrertür.
»Willst du uns umbringen?«, stieß Magnus zischend hervor, denn er wusste, was Christophorus dort suchte: die Pistole, die er immer griffbereit im Auto hatte. »Vergiss es! Habt ihr zu viele Gangsterfilme gesehen, oder was? Überlass einfach mir das Reden, aber lass das Arschloch nach Möglichkeit nicht in den Wagen schauen, kapiert?«
Christophorus nickte zwar, ließ seine Hand aber auf dem kühlen Metall des Pistolenlaufs ruhen. Allein die Berührung mit der Waffe beruhigte ihn.
Der Mann hatte sie inzwischen erreicht und deutete mit einer Kurbelbewegung an, dass sie das Fenster herunterlassen sollten. Christophorus lehnte den Kopf ein Stück nach draußen, und Magnus rief vom Beifahrersitz: »Was gibt’s denn?«
»Kluftinger, Kriminalpolizei Kempten. Was wollen Sie denn hier?« Er versuchte an Christophorus vorbei ins Innere zu spähen.
»Wir wollten eigentlich zur Firma Sauter. Eine Lackiererei. Muss hier irgendwo in der Nähe sein.«
Der Polizist dachte nicht lange nach. »Ja, das ist nicht weit. Als Württemberger kann man sich da schon mal verfahren, gell?« Er blinzelte ihnen zu.
»Wieso denn als …«, begann Christophorus, doch ein unsanfter Hieb seines Beifahrers in die Niere verhinderte, dass er den Satz zu Ende führte.
»Können Sie uns denn den Weg kurz beschreiben?«, fragte Magnus schnell.
»Ja freilich, kein Problem. Sie müssen eigentlich nur hier raus, dann an der T -Kreuzung nach rechts, und wenn Sie an der Ampel links abbiegen, sehen Sie es kurz danach auf der linken Seite.«
»Okay, danke!«, entgegnete Magnus. Christophorus drehte die Scheibe wieder hoch und setzte den Kastenwagen zurück, um in der engen Hofeinfahrt zu wenden, da kam der Mann noch einmal zurück.
»Fuck«, entfuhr es Christophorus.
»Passen Sie auf den BMW auf, der gehört meinem Kollegen, fast schon ein Oldtimer das Ding. Da ist er sehr pingelig«, rief der Polizeibeamte, hob seinen rechten Arm und wies sie ein. Dann hob er die Hand zum Abschied, und Christophorus gab Gas.
»Was für ein Idiot«, sagte er kopfschüttelnd, als sie um die Ecke gebogen und die Beamten außer Sicht waren. »Weist der uns noch ein! Ich hab gedacht, ich krieg die Krise, als er noch mal zurückgekommen ist.« Er zündete sich eine Zigarette an.
»Ja, wie heißt es so schön«, sagte Magnus grinsend, »die Polizei, dein Freund und Helfer!«
Kluftinger betrat den Hausgang und schmetterte wie immer, wenn er nach Hause kam, ein »Bin dahoim!« in die Wohnung – ein Gruß, der jedoch unbeantwortet blieb. Markus und Yumiko schienen nicht zu Hause zu sein, seine Frau hörte er in der Küche telefonieren. In aller Ruhe zog er sich die Haferlschuhe aus und schlüpfte in seine Fellclogs, ein Ritual, mit dem stets der Feierabend begann und aus dem Kriminalhauptkommissar der Privatmensch Kluftinger wurde. Er freute sich auf einen gemütlichen Fernsehabend zu Hause. Auch wenn er wusste, dass heute nicht er, sondern Markus Herr über die Fernbedienung sein würde, war er froh, dass die ganze Familie vereint war. Er musste sich nicht einmal Gedanken darüber machen, wie er am nächsten Morgen ins Büro käme: Er hatte Richard Maier gebeten, ihn mitzunehmen, schließlich lag Altusried auf dessen Weg zur Arbeit.
Außerdem hatte er sich vorher von ihm bei der Kirche absetzen lassen und dort noch einmal für die unversehrte Rückkehr seines Wagens bei der Muttergottes gebetet, dies durch einen Eintrag ins Anliegenbuch untermauert und dann sogar drei Kerzen angezündet. Statt zwei Euro zehn hatte er obendrein
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