Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
einen Fünfer in den Opferstock gegeben – vorwiegend freilich, weil er kein Kleingeld eingesteckt hatte. Einigermaßen zuversichtlich, was die bevorzugte Behandlung seines Anliegens da oben angesichts der großzügigen Spende anging, hatte er sich auf den Heimweg gemacht.
Als Kluftinger in die Küche trat, wurde ihm schon nach wenigen Worten klar, mit wem Erika da gerade telefonierte: Dieser aufgeregte Plauderton war typisch für Gespräche mit ihrer besten Freundin Annegret Langhammer. Erika begrüßte ihn mit Kussmund und zeigte auf das Telefon.
»Er sieht schlecht aus«, sagte sie dann, worauf Kluftinger fragte »Wer?«, von Erika aber nur ein Kopfschütteln erntete. Offenbar hatte sie nicht mit ihm gesprochen. Allerdings über ihn, wie ihm aus dem weiteren Verlauf der Unterhaltung klar wurde.
Er zuckte die Achseln und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank.
»Mach ruhig auf!«, sagte Erika.
»Freilich, das hatte ich auch vor.«
»Nein, nicht du, die Annegret. Der Martin kommt grad.« Sie wartete ein paar Sekunden auf eine Reaktion. Als diese ausblieb, sagte sie: »Schöne Grüße.«
»Von wem?«
Sie hielt die Hand vor die Sprechmuschel und zischte: »An den Martin. Von dir.«
»Von mir?«
»Auch schöne Grüße!«, sagte sie wieder laut.
»Wieder von mir?«
»Nein, an dich.«
»Ach so.« Er wollte gerade die Küche verlassen, da hielt ihn seine Frau zurück: »Der Martin will wissen, wie’s bei der Arbeit geht.«
Kluftinger blickte sie missmutig an. »Gut. Wenn man davon absieht, dass mich der Lodenbacher bei einem Benefiz-Golfturnier dabeihaben will …«
»Ja? Stell dir vor, der Polizeipräsident will, dass er an einem Promi-Golfturnier teilnimmt!«
Kluftinger sah sie mit zusammengezogenen Brauen an. »Was?«, fragte er verwirrt. »Der Doktor auch?«
»Wie?«
»Der Langhammer spielt auch beim Golfturnier mit?«
»Nein, du! Ja, er.«
Kluftinger schwirrte der Kopf. Wenn seine Frau über fünf Ecken telefonierte, stieg er regelmäßig aus.
»Die Annegret sagt, der Martin sagt, du sollst bei ihm vorbeikommen«, sagte sie.
Kluftinger erschrak.
»Wegen dem Golf, gell, Annegret?«, versicherte sich Erika. »Der Martin hat einen Golfsimulator.«
»Ja, des passt!«, brummte der Kommissar mit ironischem Unterton und verließ die Küche.
»Es passt ihm gut, sagt er. Er freut sich!«
Kluftinger machte auf dem Absatz kehrt und zischte Erika wild gestikulierend zu: »Nein, ich sag zu ihm. Es passt zu ihm. Zum Doktor!«
»Ja, er sagt zu! Bis später Annegret, und vielen Dank gleich mal!«
Kluftinger schüttelte den Kopf. Keine zehn Pferde würden ihn heute noch aus seinem Sessel bringen, und das Allerletzte, was er sich vorstellen konnte, war, einen Abend lang dem Doktor und einer seiner Maschinen ausgeliefert zu sein.
»Wir brauchen noch ein kleines Mitbringsel, wenn der Martin schon seinen Feierabend opfert, um mit dir zu üben!«, trällerte Erika eine halbe Stunde später aus dem Flur. »Nimm doch bitte die Pralinen mit. Die, die in der Speis im Regal stehen!«
»Die aus Schokolade?«
»Nein, die aus Belgien.«
Der Kommissar seufzte resigniert. Wieder hatte seine Frau ihn rumgekriegt. Natürlich. Sie hatte ihn vor die Wahl gestellt: ins Möbelhaus fahren, um einen neuen Teppich auszusuchen, oder alternativ der Besuch bei Doktors. In Ermangelung eines Fahrzeugs war ihm nur eine Wahl geblieben. Und da angesichts der immer wahrscheinlicher werdenden Tatsache, dass der Passat unwiederbringlich verloren war, noch genügend familiärer Ärger auf ihn zukäme, hatte sich Kluftinger zähneknirschend gefügt.
Er hielt die Pralinenpackung in der Hand. Vierhundertfünfzig Gramm. Edle, per Hand hergestellte Köstlichkeiten. Seine Mutter hatte sie ihnen geschenkt, weil er sie so gerne mochte, weswegen er sie nun nicht kampflos dem Doktor überlassen wollte. Noch dazu, wo der sich doch immer so gesund ernährte und sie wahrscheinlich ebenfalls weiterverschenken würde.
»Die hat mir die Mutter geschenkt, die kann ich nicht hergeben«, rief er seiner Frau zu.
»Wird sie ja nicht erfahren.«
Er überlegte fieberhaft und beschloss schließlich, ein wenig zu improvisieren: Er riss die Packung auf und entnahm ihr einige Pralinen, wobei er vorher anhand der Legende auf der Unterseite diejenigen auswählte, die er nicht mochte. Dann packte er die vier Blätterkrokant-, zwei Schichtnougat- und drei Ingwermarzipanpralinen vorsichtig in ein Stück Alufolie. Als er fertig war, hielt er einen unförmigen,
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