Schutzwall
Uhr?«
»Sagen wir besser, neunzehn Uhr«, meinte Dill.
»Dann also bis neunzehn Uhr«, sagte Brattle. »Übrigens, ich hab mir sagen lassen, daß Sie das FBI gar nicht angerufen haben. Warum eigentlich nicht, wenn ich fragen darf?«
»Woher wissen Sie eigentlich, daß ich sie nicht benachrichtigt habe, Clyde?«
»Was für eine seltsame Frage.«
»Dolan kümmert sich von Washington aus darum.«
»So, tut er das? Nun, das ist schön. Ja, das ist ganz hervorragend. Also dann, bis morgen.«
Nachdem Brattle aufgelegt hatte, drückte Dill die Gabel nieder und wählte dann die Auskunft. Er stellte seine Frage und erhielt die gewünschte Nummer. Er wählte sie, und beim dritten Läuten meldete sich eine Frauenstimme mit »Hallo«.
»Cindy«, sagte Dill mit gespielt fröhlicher Munterkeit, »hier ist Ben Dill.«
»Wer?«
»Ben Dill – Felicitys Bruder.«
»Oh. Ach so. Sie. Also, ich kann jetzt nicht so offen sprechen.«
»Ich möchte mit Harold reden, Cindy.«
»Mit Harold?«
»Ja, richtig.«
Es entstand eine Pause, und Dill konnte hören, wie Cindy McCabe mit gedämpfter Stimme rief: »Es ist Felicitys Bruder, und er sagt, daß er mit dir sprechen will.«
Dann war Harold am Apparat und meldete sich mit der mürrisch vorgebrachten Frage: »Was zum Teufel wollen Sie?«
»Was hältst du davon, tausend Dollar zu verdienen, Harold? Und das für eine einzige Stunde Arbeit.«
»Häh?«
Dill wiederholte seine Frage.
»Und was hab ich dabei zu tun?«
»Nur das wieder anbringen, was du gestern abgebaut hast.«
»Sie meinen da draußen – gegenüber dem Park, und dann die Zwischendecke hoch …«
»Aber diesmal über dem Wohnzimmer, Harold – das macht das Zuhören leichter.«
»Wann?«
»Entweder heute morgen oder am Nachmittag.«
»Wann wird gelöhnt?«
»Nimmst du einen Scheck?«
»Nein.«
»Okay, also bar. Dann später. Irgendwann heut abend.«
»Wo?«
»Bei dir.«
»Und was läuft da?«
»Das kann dir doch völlig Wurscht sein, Harold.«
»Sie möchten also, daß ich alles wie vorher anbringe – außer daß es diesmal über dem Wohnzimmer sein soll.«
»Richtig.«
»Und Sie kommen dann später am Tag mit dem Wie-heißt-es-noch rüber.«
»Spätestens um sieben. Ich geh davon aus, du möchtest nicht, daß Cindy das mit dem Wie-heißt-es-noch mitbekommt.«
»Ich glaub nicht, daß das unbedingt nötig ist«, sagte Snow.
»Glaub ich auch nicht, Harold«, sagte Dill und legte auf.
Als Dill Anna Maude Singe aus ihrer Wohnung abholte, war es kurz vor Mittag, und die Vorhersage im Autoradio des Ford verkündete, daß Sonntag, der siebte August, einen nie dagewesenen Hitzerekord aufstellen würde.
Um zwölf Uhr mittags waren es bereits 35 Grad Celsius.
Es wehte kein Lüftchen, es war wolkenlos, und mit Abkühlung war nicht zu rechnen.
Anna Maude trug weiße Shorts aus Segeltuch, locker darüber ein gelbes Baumwollhemd und Sandalen. Als sie zu Dill in den Wagen stieg, musterte sie ihn kritisch.
»Wohin, sagtest du, wollen wir heut gehen?«
»Zu Jake Spivey.«
»Zu einer Andacht?«
Dill schaute auf sein weißes Hemd und die grauen Hosen. »Na ja, ich könnte ja die Ärmel hochkrempeln.«
»Auf dem Weg gibt es einen TG & Y, der geöffnet hat«, sagte sie. »Wir kaufen dir da ein Hemd und irgendwas, das du zum Schwimmen anziehen kannst. Dann könntest du auch deine Socken ausziehen und barfuß in deinen Mokassins gehen, und jeder wird dann denken, daß du gerade aus Südkalifornien eingeflogen bist.«
»Wofür steht eigentlich TG & Y?« sagte Dill. »Ich hab’s vergessen.«
»Tops, Gewehre und Yo-Yos«, sagte sie. »Jedenfalls hat Felicity das immer behauptet.«
Sie hielten vor einem weitläufigen Warenhaus in einem Shopping-Center, das früher einmal, als Dill noch in der Gegend herumgezogen war, ein Molkereihof gewesen war. Er kaufte ein einfaches weißes Polohemd und eine dunkelbraune Badehose. Als er zum Auto zurückkam, zog er sich das Buttendown-Hemd aus und streifte sich das Polohemd über.
»Jetzt die Socken«, sagte sie.
»Findest du das nicht ein bißchen gewagt?«
»Du bist hier wieder daheim und nicht in Georgetown!«
»Auch in Georgetown takeln sie sich manchmal ganz verwegen auf«, sagte Dill, als er sich nach vorn beugte und sich die knöchellangen schwarzen Socken auszog. Es waren die einzigen, die er überhaupt je getragen hatte, und das vor allem deswegen, weil sie alle einander genau gleich waren, und wenn er schon mal in das Fach mit den Socken griff, mußte er
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