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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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getönten Gläsern. Das linke Ohr, das er Anna Maude Singe zugewandt hatte, war mit einem winzigen Hörgerät ausgestattet. Kurz über den Ohren waren noch ein paar Haare stehengeblieben, doch sonst war der Kopf völlig kahl. Zurückgeblieben war eine spitze, glatte Wölbung, die bis zu der Stelle, wo früher der Haaransatz gewesen war, tief gebräunt war. Dort begannen auch seine Runzeln – Furche auf Furche in Parallelrichtung bis fast zu seiner Nase herab, wo sie die Richtung änderten und sich in feine, senkrechte Rillen verwandelten, die strahlenförmig in kurze winzige Fältchen und andere, gröbere und tiefere Rinnen ausliefen, die sich in alle Richtungen verzweigten. Die Lippen des alten Mannes waren bläulich verfärbt, und wenn er den Mund öffnete, war nur ein schwarzes Loch zu sehen. Die Nase war noch immer fest und schmal und witternd, doch das einstmals harte Kinn war lappig und schien kurz vor der Auflösung. James Hartshorne senior war siebenundneunzig Jahre alt.
    »Dill, Sie setzen sich hierhin«, sagte der alte Mann, indem er auf den Stuhl zu seiner anderen Seite klopfte. »Junior, du holst dir einen anderen Stuhl.«
    Während sein Sohn einen anderen Stuhl heranschleppte, wandte sich der alte Mann wieder zu Anna Maude Singe. »Ich mag nackte Frauenarme«, sagte er und strich flüchtig über Anna Maudes rechten Arm. »Sie erregen mich so, wie heutzutage alles mögliche andere, was auch nicht mehr gerade viel ist. Aber mit nackten Armen ging’s mir schon immer so. Und dann noch mit einem hellbraunen Flaum darauf. Liest ihn heute eigentlich noch jemand?«
    »Ja, die Kids im College, wie man hört«, sagte Anna Maude. »Sie haben ihn gekannt, nicht wahr?«
    »Elliot?«
    »Oh, Entschuldigung, ich meinte Ace Dawson.«
    »Old Ace. O ja, ich kannte Ace. Das schlitzohrigste Exemplar von einem Kerl, das je den Yellowfork heraufgekommen ist.« Der alte Mann gab einen krächzenden Laut von sich, den Dill für ein Kichern hielt. »Er kam irgendwo aus Texas, und ich kam aus Shreveport. Ich hab immer geglaubt, daß Typen wie Ace heutzutage nicht mehr hergestellt werden. Ja, wirklich, das dachte ich. Bis ich diesem Jungen begegnet bin, dem heute dies alles hier gehört. Wo sind Sie Jake eigentlich über den Weg gelaufen?«
    »Bisher noch gar nicht«, sagte Anna Maude.
    Der alte Mann wandte sich Dill gerade in dem Moment zu, als der mexikanische Gärtner/Hausdiener mit den Drinks herankam. »Dann ist Spivey also ein alter Kumpel von Ihnen, Dill?«
    »Das ist richtig«, sagte Dill und nahm seinen Drink entgegen.
    »Kennen Sie ihn schon lange?«
    »Ewig.«
    »Wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie dann mit ihm Geschäfte machen?«
    »Welche Art Geschäfte?«
    »Vielleicht Politik.«
    »Es mag durchaus die Politik sein, hinter der Jake Spivey schon sein ganzes Leben lang her ist.«
    Die blauen Lippen des alten Mannes verzogen sich zu einem Lächeln. »Jene fernen Gestade, wie?«
    »Vielleicht.«
    »Daddy«, sagte Hartshorne junior.
    »Was?«
    »Ich meine, wir sollten Mr. Dill danken.«
    »Ja, du hast recht.« Der alte Mann wandte ruckartig seinen Kopf und beäugte Dill. »Junior und ich danken Ihnen für das, was Sie gestern abend gemacht haben.«
    »Gestern abend?«
    »Nun, für Ihren Versuch, das Leben des jungen Laffter zu retten – Sie wissen schon, das Beatmen von Mund zu Mund und alles andere, was Sie und dieser Niggerkellner im Presseclub – wie war doch gleich sein Name – Harry?, gemacht haben. Ich hab schon angerufen und mich bei ihm bedankt. Scheint so, als hätte das Krankenhaus einen blödsinnigen Fehler gemacht und den Nigger angerufen, nachdem Laffter gestorben war. Na ja, es sah jedenfalls so aus, als wäre es ein Fehler gewesen, bis ich dann gehört habe, daß Fred dem Nigger alles hinterlassen hat, was er besaß.« Er schaute seinen Sohn an. »Bist du dir nach alldem noch ganz sicher, daß Laffter kein Schwuler gewesen ist?«
    Hartshorne junior runzelte die Stirn. »Er hat alles Harry hinterlassen, Daddy, weil Harry sich in all den vergangenen Jahren um ihn gekümmert hat. Ich hab’s dir doch erzählt.«
    »Na, du mußt es ja wissen – jedenfalls alles über Schwule.«
    Er wandte sich Dill zu und gab wieder krächzende Laute von sich. »Junior hat aus irgendeinem Grund nie geheiratet. Er ist jetzt schon seit fünfundvierzig, sechsundvierzig Jahren der heißbegehrteste Junggeselle der Stadt. Stimmt’s, Junior?«
    Hartshorne Junior beachtete seinen Vater nicht und wandte sich Dill zu.

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