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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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beschäftigt, als der alte Mann hereinkam. Mindestens siebzig inzwischen, dachte Dill, vielleicht sogar noch älter. Er bewegte sich in einer täuschend eiligen, ruckartig schlurfenden Gangart bis ans hintere Ende des Speisesaals. Seine Augen waren hinter einer stahlgefaßten Zweistärkenbrille starr geradeaus gerichtet. Seinen Kopf zierte ein Hut, ein schmuddliger Panama mit ausgefranster Krempe, vielleicht einer der vier echten Panamas, die es hier in der Stadt oder im gesamten Bundesstaat noch gab, und er trug ihn mit rundherum nach unten gebogener Krempe.
    Der gestreifte Sommeranzug des Alten sah aus, als wäre er aus Bettüchern geschneidert. Er trug ein weißes Pongeehemd, das vom Alter gelblich verfärbt und am Kragen um mindestens zwei Größen zu weit war. Seine Krawatte war alt und grau und wirkte speckig. Ein Notizbuch, wie es Reporter bei sich tragen, ragte aus der linken Tasche seiner Anzugjacke heraus, eine druckfrische Ausgabe der Tribune aus der rechten. Die Füße des alten Mannes steckten in einem Paar noch neu aussehender Mokassins von Gucci. Dill vermutete, daß sie nachgemacht waren.
    »He, Chuckles«, rief der Grieche.
    Freddy Laffter verhielt in seinem Sturzflug auf die hinteren Tische, wandte sich um und warf Levides einen wütenden Blick zu. »Was willst du, warum quatschst du mich an?«
    »Jemand hier möchte mit dir sprechen.«
    »Wer?«
    Der Grieche nickte zu Dill hinüber. »Er.«
    Laffter wandte den Kopf. Er hatte die Form eines Eies, mit dem dickeren Ende oben, die Gesichtshaut war von einem blassen Rosa, mit Ausnahme der Nase, die aussah wie ein eingedrückter, karminroter Knopf. Die Brauen waren weiß und fast nicht zu sehen über einem Paar Augen, die von ihrem früheren Blau fast bis zur Farblosigkeit verblichen waren. Der Mund war ein dünner, giftiger Strich und wirkte überraschend straff. Das Alter hatte ein Gespinst feiner Runzeln in das Gesicht gegraben, doch die ausgewaschenen, blassen Augen waren noch immer wachsam, neugierig und musterten jetzt Dill voller Interesse.
    »Dill«, sagte Laffter, »Ben Dill.«
    »Stimmt.«
    »Sie waren früher bei UP.«
    »UPI.«
    »Was soll’s, ich nenn den Laden noch immer UP. Worüber wollen Sie mit mir reden? Über Ihre Schwester?«
    »Falls Sie ein paar Minuten für mich übrig haben.«
    »Ich hab noch nichts gegessen.«
    »Ich auch noch nicht, vielleicht kann ich uns beiden was bestellen. Ich lade Sie ein.«
    »Mir wäre heute nach Steak.«
    »Chuckles«, sagte der Grieche, »Sie haben hier seit fünf Jahren kein Steak mehr bestellt.«
    Laffter überging Levides’ Einwand. »Mir ist heute gerade nach Steak«, wiederholte er hartnäckig, »ein saftiges, dickes Steak mit frischem Spargel, und für den Anfang vielleicht einen Krabbencocktail.«
    »Fein«, sagte Dill, »für mich dann dasselbe.«
    Laffter wandte sich zu Levides. »Hast du gehört, du unwissender Päderast? Sag Harry dem Kellner, daß dieser Gentleman hier und ich zwei große saftige Steaks haben wollen, am besten halb durch, würde ich sagen, mit Spargel und für den Anfang Krabbencocktail. Vorneweg zwei Wodka-Martinis, um den Appetit anzuregen – ich würde vorschlagen, doppelte, und dann eine Flasche Wein –, aber zur Abwechslung mal ’nen anständigen Tropfen, vielleicht einen Burgunder, hinterher natürlich Cognac und vielleicht sogar eine Zigarre, was ich aber erst später entscheiden werde.«
    »Friß nur den ganzen Scheiß, und hinterher landest du mit Sicherheit auf der Intensivstation«, sagte Levides.
    Laffter hatte sich bereits wieder Dill zugewandt. »Wissen Sie, der Kerl da hat seine wahre Berufung verfehlt«, sagte der alte Mann und nickte leicht mit dem Kopf zu dem Griechen hin, der in seinem Rücken stand, »er sollte eigentlich Zuhälter in Piräus sein und die Ärsche kleiner Griechenjungs an türkische Matrosen verhökern, die gerade auf Landgang sind.«
    Mit gelangweilter Stimme machte Levides eine sehr unfeine Bemerkung über die Mutter des Alten und ging ans andere Ende der Bar, um nachzusehen, ob die beiden Anwälte Nachschub brauchten.

6
    Sie saßen an einem Ecktisch im Restaurantbereich. Nachdem die doppelten Wodka-Martinis gebracht worden waren, zog Laffter die zusammengefaltete Ausgabe der Tribune aus seiner Tasche und reichte sie Dill. »Seite drei«, sagte er.
    Dill blätterte auf Seite drei zu der Schlagzeile rechts oben, die lautete:
    AUTOBOMBE EXPLODIERT: DETECTIVE ZERFETZT
    Dill überflog den im Kasten gesetzten Bericht und fand, daß er

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