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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Werbung, waren Anwälte, hatten mit Politik oder Public Relations zu tun. Man nannte sie die assoziierten Mitglieder, und ihre Jahresbeiträge waren fünfmal so hoch wie die der aktiven Presseleute. Die Minderheit lebte in dem selbstbewußten Gefühl, daß die nicht stimmberechtigte Mehrheit sie, wenn sie denn schon partout Umgang mit Mitgliedern der Presse pflegen wollte, auch verdammt noch mal für dieses Privileg bezahlen könnte. Das inoffizielle Motto des Clubs war auf eine Messingtafel graviert, die jahrelang hinter der Bar gehangen hatte: » Auch ich war früher selbst mal Zeitungsmann. «
    Seit der Club in seine neuen Räume umgezogen war, hatte Dill ihn nicht besucht. Er war fast ein Stammgast dieser Einrichtung gewesen, solange sie sich das fünfstöckige Gebäude im Zentrum mit den Elchen geteilt hatte – der Presseclub in den beiden obersten Stockwerken, die gütige und wohltätige Ordensbruderschaft in den unteren Geschossen. Als Dill noch Nachtschicht bei der UPI gemacht hatte, war er oftmals als letzter hinausgegangen, kurz bevor abgeschlossen wurde.
    Er parkte den Ford so nahe wie möglich vor dem viktorianischen Bauwerk – genau einen Block entfernt – und versuchte sich zu erinnern, ob er damals eigentlich seine letzte Rechnung an der Bar bezahlt hatte. Falls nicht, davon war er überzeugt, würde es dort jemanden geben, der ihn daran erinnerte – falls kein anderer, dann ganz bestimmt der Grieche.
    Es war eine Stunde vor Sonnenuntergang, als Dill die sechs Stufen zur überdachten Veranda hinaufstieg. Er ging zur Tür und drückte auf den Summer. Eine blecherne Stimme, streitsüchtig wie eh und je, stellte die unvermeidliche, einsilbige Frage: »Was?«
    »Ben Dill.«
    »Jesus«, sagte die Stimme. Einen Moment später ertönte der Summer, und die Tür entriegelte sich. Ein kleines Foyer führte in einen Raum, der mit Ausnahme der Küche im hinteren Teil das gesamte erste Stockwerk des großen alten Hauses einzunehmen schien. Direkt an das Foyer schloß sich der Salon an, dessen begehrteste Plätze vor einem riesigen Panoramafenster lagen, wo man, wie Dill bei sich dachte, sitzen, wie man wohl überall auf der Welt in privaten Clubs sitzen mochte, und, wie einmal jemand gesagt hatte, zusehen konnte, wie es auf die verdammten Leute draußen niederregnete. Er vermutete, daß Privatclubs vielleicht einzig aus diesem Grund erfunden sein mochten.
    Dill ging auf die L-förmige Bar zu, die sich zur Linken des Salons befand. Ihm fiel auf, daß es noch immer dieselbe Mahagonibar war, die sie im alten Haus im Zentrum gehabt hatten. Man hatte sogar das alte Messinggestänge mitgebracht, das sich über Kopfhöhe um die Bar herumzog. Von ihm hingen die beim Verschrotten der Straßenbahnen geretteten ledernen Halteschlaufen herab, um all denen guten Halt zu geben, die allzu ausgiebig an ihrem Gin genippt hatten.
    Der Mann, der hinter der Bar stand und sich mit beiden Händen darauf stützte, stand dort bereits seit dreißig Jahren in seiner Doppelrolle als Clubmanager und Chefbartender. Sein Name war Christos Levides oder Christus der Grieche; oder für gewöhnlich einfach Der Grieche. Er war ein Mittfünfziger, der heute nicht viel anders aussah als damals mit fünfundzwanzig. Die schwarzen Augen waren noch immer voll List, der elegante Schnurrbart war noch ebensogut gestutzt und der Ausdruck leiser Verachtung noch genauso nonchalant und odysseushaft wie eh und je. Natürlich gab es einige neue Falten, die sich tief von der bemerkenswerten Nase abwärts eingegraben hatten, und Furchen, die waagerecht über seine Stirn liefen. Es war ein gründlich gelangweiltes Gesicht, das offensichtlich alle Lebenslügen und alle Ausflüchte in- und auswendig kannte.
    Levides blieb reglos und ohne zu sprechen stehen, bis Dill sich auf einen Hocker gesetzt und sich umgeschaut hatte, um zu sehen, ob noch irgend jemand da war, den er von früher kannte. Da war niemand. Zwei Männer saßen am entgegengesetzten Ende der Bar, aber sie sahen wie Anwälte aus. Auf Sitzbänken vor den Tischen hatten sich etliche Leute zum Abendessen niedergelassen.
    »Also«, sagte Levides schließlich, »Sie sind zurückgekommen.«
    »Ich bin zurück«, stimmte ihm Dill zu.
    Levides nickte sorgenvoll, ganz so, als sähe Dill genauso schrecklich aus, wie er es erwartet hatte. »Ich hab das von Ihrer Schwester gehört.« Es entstand eine lange Pause, in der Levides sich offenbar darüber klarzuwerden versuchte, was er als nächstes sagen sollte. »Es

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