Schutzwall
vier Dosen ins Tiefkühlfach tue – wissen Sie, damit man sie so richtig kalt bekommt.
Manche Leute brauchen ’n bißchen was, wenn sie zu einer Beerdigung gehen. Ist ja immer ’ne traurige Sache, so ’ne Beerdigung.« Er blieb einen Augenblick still. »Also, ich halt jetzt die Klappe.«
»Danke«, sagte Dill.
Anna Maude Singe war ganz in Schwarz – einfaches, teures, einheitliches Schwarz –, mit Ausnahme der weißen Handschuhe, die sie in der Hand hielt. Eskortiert von Sergeant Mock, der sich bereit erklärt hatte, zu ihr hinaufzugehen, kam sie aus den Van Buren Towers. Dill rutschte hinüber in die linke Ecke des Wagens, als Mock die rechte Tür für Anna Maude öffnete. Graziös stieg sie ins Auto, das Hinterteil zuerst, gefolgt von den langen Tänzerinnenbeinen, die sie in einer einzigen gleitenden Bewegung hineinschwang. Sie wandte sich prüfend zu Dill, der seinen dunkelblauen Anzug trug, ein weißes Hemd und die gestrickte schwarze Seidenkrawatte.
Anna Maude nickte ihm grüßend zu und meinte anerkennend: »Hübsch siehst du aus, und dein Kater, den du verheimlichen willst, verleiht dir eine gewisse traurige Würde.«
»Irgendwie hab ich ja gewußt, daß du jemand bist, der schon morgens gern redet«, sagte Dill.
Sie lächelte. »Macht das nicht jeder?«
Sergeant Mock, der wieder auf dem Fahrersitz saß, startete den Motor, wandte den Kopf zurück und sagte:
»Die Dame sieht nicht so aus, als würde sie auch schon ein Bier brauchen, Mr. Dill, aber falls doch, wissen Sie ja, wo Sie es finden. Ich werd jetzt die Trennscheibe hochmachen, damit Sie ganz ungestört sind. Leute, die auf Beerdigungen gehen, brauchen immer ihre ungestörte Ruhe.«
»Danke«, sagte Dill. Mock drückte einen Knopf, und die gläserne Trennwand glitt aus dem Rückenteil des Vordersitzes, und dann schwenkte der große Wagen wieder vom Bordstein auf die Straße.
»Möchtest du ein Bier?« fragte Dill.
Anna Maude schüttelte ablehnend den Kopf. »Wo hast du deinen Kater her?«
»Das war oben in meinem Zimmer, allein.«
»Mir ist gar nicht so, als hättest du mit mir soviel getrunken.«
»Ich hatte noch einen Besucher.«
»Oben in deinem Zimmer?«
»Unten in der Hotelgarage. Wir haben in seinem Transporter miteinander geredet.«
»Wer?«
»Clyde Brattie«, Dill machte eine Pause. »Übrigens, von Brattie hab ich dir wohl noch nicht erzählt.«
Wieder schüttelte sie verneinend den Kopf.
»Das sollte ich vielleicht besser tun.«
»Wo haben die ihr Bier versteckt?« fragte sie.
»Das Fach da, gleich vor dir – du mußt es aufschieben.«
Anna Maude öffnete es, nahm ein Bier heraus, drückte den Verschluß ein und reichte es Dill. »Okay«, sagte sie, »los, erzähl.«
Dill nahm einen tiefen Schluck von seinem nächsten Bier und erzählte ihr dann von seinem Treffen mit Clyde Brattie in dessen blauem Dodge-Lieferwagen und von den beiden Männern namens Harley und Sid. Als er geendet hatte, näherten sie sich bereits der Trinity Baptist Church, die an der Ecke Thirteenth und Sherman Street lag, kaum fünfzehn Blocks von den Van Buren Towers entfernt.
Anna Maude Singe blickte eine Weile nachdenklich vor sich hin, nachdem Dill ihr Bericht erstattet hatte, dann meinte sie stirnrunzelnd: »Mir wäre angenehmer, wenn du das FBI selbst angerufen hättest.«
»Ja«, sagte Dill, »geht mir genauso.«
Es gab weitaus mehr Baptisten in der Stadt und im gesamten Bundesstaat als Angehörige anderer Bekenntnisse, gefolgt – aber mit einigem Abstand – von Methodisten, Presbyterianern, Reformierten, Fundamentalisten verschiedenster Couleur, Katholiken und einer überraschend großen Zahl von Anhängern der Episkopalischen Kirche, von denen weithin angenommen wurde, sie wären wohlhabend, stilbewußt, von der für die Bewohner der Oststaaten typischen Gediegenheit und nicht halb so versessen auf sonderbare Rituale wie die Katholiken mit ihrer verdächtigen Verbundenheit gegenüber Rom. 1922 war ein Gerücht in Umlauf gewesen, daß der Papst mit dem Zug um zwölf Uhr siebzehn, aus Chicago kommend, im Bahnhof Union Station eintreffen würde, und schätzungsweise dreitausend Menschen hatten sich daraufhin dort eingefunden, um herauszufinden, ob es stimmte. Die meisten von ihnen waren hauptsächlich gekommen, um zu gaffen, doch der eine oder andere hatte schon ernsthaft erwogen, Teer und Federn mitzubringen. Alle waren tief enttäuscht gewesen, als Pius XI. dann doch nicht aus dem Zug gestiegen war.
Trinity Baptist war Mitte
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