Schutzwall
gebacken der Justiz. Der Senator bekommt neunzig Minuten Sendezeit in den Radionachrichten und ist dann drei Tage lang zu Hause ein Held, vielleicht sogar eine Woche.«
»Ich glaube, du wirst dich wohl schon für den einen oder anderen entscheiden müssen«, sagte Dill.
»Nicht beide, wie?«
»Nein.«
»Okay«, sagte Dolan, »welchen denn?«
»Die Wahl liegt nicht bei mir.«
»Du ziehst dich da ganz schon heraus, Ben.«
»Ja, ich weiß.«
»Also gut, ich sag dir, was wir machen werden. Wir laden das Ganze dem Senator auf und lassen ihn entscheiden. Was meinst du dazu?«
»Schön.« sagte Dill.
»Das wäre dann also geklärt. Er und ich kommen dann also Montag abend oder Dienstag früh zu dir runter.«
»Das mit dem Hearing, läuft das noch?«
»Nicht eigentlich«, meinte Dolan, »wir haben beschlossen, daß wir damit doch nicht so schnell an die Öffentlichkeit gehen. Der Senator möchte sich erst mal privat mit Spivey treffen. Kannst du das arrangieren?«
»Ja.«
»Und wie steht’s mit Brattle?«
»Ich hab das Gefühl, daß er mit mir in Verbindung bleiben wird«, sagte Dill.
»Mit dir?«
»Mit mir.«
»Sieh doch mal zu, ob du für ihn ein Treffen mit dem Senator in die Wege leiten kannst.«
»Was ist mit dem FBI?«
»Was soll schon mit denen sein?«
»Irgend jemand muß sie anrufen, wegen Brattle.«
»Laß mich das von hier aus machen«, sagte Dolan, »ich kenne hier ein paar von den Knaben, die halbwegs vernünftig sind.«
»Du kümmerst dich dann also darum«, sagte Dill.
»Ich mach das schon«, versprach Dolan, »du gehst jetzt besser schlafen, du klingst ein bißchen angeschlagen.«
Viel später hatte niemand außer Dill eine zufriedenstellende Antwort auf die Frage, die von ratlosen Mitgliedern der Jury des obersten Gerichtshofes am häufigsten gestellt wurde: Warum habt ihr Burschen denn nicht einfach das FBI verständigt oder andere Stellen?
»Ich dachte, das hätte schon jemand getan«, gab Dill darauf dann stets zur Antwort.
19
Die Limousine der Polizeidienststelle, die einen leicht verkaterten Benjamin Dill Samstag morgen um neun Uhr fünfzehn abholte, war ein schwarzer Cadillac Baujahr 1977, der, wie der Fahrer zu erzählen wußte, zweihundertfünfzigtausend Kilometer auf dem Tacho hatte und vormals vom Bürgermeister gefahren worden war.
»Er hat ihm nicht wirklich gehört, verstehen Sie«, erklärte der Sergeant in mittleren Jahren, der einen rotbraunen Anzug trug und sich mit dem Namen Mock vorgestellt hatte, »aber er ist ihm als Dienstwagen zur Verfügung gestellt worden, und als sie ihm dann seinen neuen gekauft haben, ging dieser hier zurück an den städtischen Fahrzeugpark. Wie sagten Sie, Sie möchten jemand abholen?«
»Eine Miss Singe an der Ecke 22nd und Van Buren.«
»Ah, das Old Folks Home, stimmt’s?« sagte Sergeant Mock, der den hinteren Wagenschlag für Dill aufhielt, der in den klimatisierten Wagen stieg und sich in die weichen Polster sinken ließ. »So hat man sie doch früher genannt – ich meine die Van Buren Towers«, ergänzte Mock, als er sich ans Steuer setzte. »Ich weiß selbst nicht, warum sie es so genannt haben, aber so war es eben.«
Der Sergeant schwenkte vom Bordstein vor dem Hawkins Hotel in den Verkehr ein und fuhr den schweren Wagen in nördlicher Richtung den Broadway hinunter. Mit einem Blick in den Rückspiegel musterte er Dill, der zusammengekauert in der rechten Ecke saß und auf den schwachen Samstagmorgenverkehr starrte.
»Das mit Ihrer Schwester tut mir leid, Mr. Dill«, sagte Sergeant Mock, »sie war ein echt nettes kleines Mädel – obwohl, ich meine, na ja, eigentlich war ja Felicity gar nicht so klein – eins zweiundsiebzig oder eins fünfundsiebzig müßte so ungefähr hinkommen.«
»Eins fünfundsiebzig«, sagte Dill.
»Für ’ne Frau ziemlich groß.«
»Ja.«
»Wär’s Ihnen lieber, wenn ich den Schnabel halte?«
»Das könnte helfen.«
»Kleiner Kater?«
»Ein bißchen schon.«
»Werfen Sie mal einen Blick in das Fach vorn rechts von Ihnen – Sie müssen es aufschieben. Ich hab drei Dosen kaltes Budweiser hineingetan, nur für den Fall.«
»Sie sind ein Heiliger«, sagte Dill, öffnete das Schubfach und nahm eine der noch beschlagenen Dosen heraus. Er öffnete sie und nahm dankbar einen tiefen Zug daraus.
Der Sergeant grinste in den Rückspiegel. »Ich mach das immer, wo’s um eine Beerdigung geht. Das erste, was ich nach dem Aufstehen mache, ist, daß ich morgens in die Küche renn und drei oder
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