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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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und eine Hand blitzschnell unter sein rechtes Hosenbein fuhr.
    Dill schaute in dieselbe Richtung wie Corcoran. Er sah die große Faust und die kleine Pistole, die in etwa zehn Meter Entfernung aus der Ligusterhecke herausragte.
    Oder vielleicht war es die Winzigkeit der Pistole, wie Dill später dachte, wodurch die Faust so riesengroß gewirkt hatte. Er sah, wie die Pistole abgefeuert wurde. Er hörte den scharfen, häßlichen Knall eines einzelnen Schusses.
    Dill drehte sich um und sah, daß er den am Boden knieenden Corcoran am Halsansatz getroffen hatte. Der große, wuchtige Mann ließ die kleine stumpfe Automatik vom Kaliber 635 fallen, die er gerade aus dem Halfter über dem rechten Fußknöchel gerissen hatte. Einen kurzen Moment später nahm er die blutigen Hände vom Hals und starrte sie mit ungläubigem Erstaunen an, Corcoran blieb auf ein Knie gestützt hocken, zwei Sekunden, drei Sekunden, vier Sekunden, dann seufzte er und kippte langsam auf den Rasen. Blut pumpte aus seiner Kehle. Dill erhob sich und schaute sich um. Die einzigen, die noch immer reglos dastanden, waren die Frauen der Polizisten. Die Polizisten selbst hatten sich ins Gras fallen lassen. Einige lagen flach am Boden, ein Dutzend andere knieten, gestützt auf ihr rechtes oder linkes Bein, die Hosenbeine hochgeschoben, wobei haarige weiße Waden und die kleinen Lederhalfter sichtbar wurden, die sie umgeschnallt hatten.
    Ein Dutzend Pistolen, zumeist kleine, flache Automatiks, ähnlich der, die Corcoran gehabt hatte, wurden plötzlich von schweren Fäusten umspannt. Die Cops mit den Pistolen ließen ihre Köpfe hin und her schweifen, auf der Suche nach jemandem, auf den sie schießen, den sie festnehmen könnten. Doch was sie ringsum sahen, waren nur andere Cops – und viele davon wildfremde –, die ebenfalls mit Pistolen herumfuchtelten.
    Dill überlegte später, daß die Stille, die nach dem einzelnen Schuß eingetreten war, nicht länger als drei oder vier Sekunden gedauert haben konnte, und nicht eine volle Stunde, wie er damals geglaubt hatte. Eine der Polizistenfrauen schrie schließlich beim Anblick des im Gras liegenden Corcoran auf, dessen Knie fast bis zur Brust angezogen waren und dem das Blut noch immer stoßweise aus der Kehle schoß. Nach dem Schrei setzten lautes Rufen und Brüllen und ein unentwirrbares Durcheinander ein.
    Dill war als erster bei Corcoran. Die grünen Augen des großen Mannes standen noch immer offen, und obwohl sein Blick verschwommen war, schien er Dill doch zu erkennen. Er versuchte zu sprechen, doch auf seinen Lippen bildete sich nur eine große rosafarbene Blase, die mit einem leisen »Plop« zerplatzte. Wieder bewegten sich Corcorans Lippen, und Dill beugte sich herab, um zu verstehen, was er sagen wollte. Diejenigen, die Zeuge geworden waren, sagte später aus, nach ihrem Eindruck wäre es Corcoran nur noch gelungen, drei oder vier Worte zu sprechen, bevor das Blut aufhörte, aus der Wunde hervorzuschießen. Corcorans Mund entrang sich ein letzter Seufzer, er bildete wieder eine rosa Blase, die fast sofort zerplatzte. Dann hatte sein Herz ausgesetzt – Corcoran war tot.
    Dill erhob sich langsam auf die Füße. Ein Polizist, der in Erster Hilfe ausgebildet zu sein schien, kniete sich schnell neben Corcoran hin und prüfte mit kundigen Fingern nach irgendwelchen Anzeichen von Leben. Er fand keins und ging kopfschüttelnd wieder in Hockstellung.
    Dill half der zitternden Anna Maude Singe auf die Beine. Als er fragte, ob sie verletzt wäre, schüttelte sie langsam verneinend den Kopf, ihre Augen starr auf den gewaltigen, zusammengekrümmten Körper Clay Corcorans gerichtet. Dill legte einen Arm um sie und führte sie weg. Er bemerkte, wie Captain Gene Colder ihnen den Weg verstellte. Nur einen Augenblick später eilte der Leiter der Kriminalabteilung, John Strucker, auf sie zu. Colder warf einen Blick auf Strucker, als wollte er Erlaubnis einholen. Strucker gab ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen, daß er die Befragung durchführen könnte.
    »Antworten Sie schnell, Dill«, sagte Colder mit angespannter, schneidender Stimme, »man behauptet, er hätte noch etwas gesagt. Konnten Sie verstehen, was es war?«
    Dill nickte. »Gewiß, er sagte: ›Es tut weh, es tut weh.‹ Das sagte er zweimal.«
    »Das ist alles?« sagte Strucker in ungläubigem Ton, und auch seine Miene drückte Zweifel aus.
    »Das war alles.«
    Strucker wandte sich zu Colder. »Sie wissen ja, was Sie zu tun haben, Captain. Sie erledigen

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