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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Friedhofsbesuch machten.
    Innerhalb der vergangenen fünf Jahre hatte die Polizeitruppe hier im Green Glade of Rest siebzehn ihrer ermordeten Angehörigen beerdigt. Mit Detective Felicity Dill erhöhte sich die Zahl auf achtzehn. Bevor die Abteilung sich einen eigenen Abschnitt auf dem Friedhof gekauft hatte, waren KOD-Polizisten über die ganze Stadt verstreut bestattet worden. Die Abkürzung KOD stand für Killed on Duty – getötet im Dienst.
    Nahezu alle von denen, die zum Gottesdienst in der Kirche gewesen waren, hörten sich auch die Grabrede an und nahmen an der Zeremonie am Grab teil. Wie angekündigt, dauerte es nur kurz. Ein Kaplan der Polizei las den dreiundzwanzigsten Psalm, eine Einheit Scharfschützen feuerte einen Salut ab, ein Hornist spielte Taps auf seinem Kornett. Die Totenwache, die zum Tragen des Sarges verdoppelt worden war, faltete die amerikanische Flagge, die den Katafalk verhängt hatte, zu einem ordentlichen Dreieck zusammen und überreichte sie Dill, der nicht die geringste Vorstellung davon hatte, was er damit anfangen sollte. Dann war alles vorbei, die tote Schwester war beerdigt, und es war noch nicht einmal Mittag.
    Der KOD-Abschnitt der Polizeiabteilung lag auf einer sanft geschwungenen Hügelkuppe. Nach Beendigung der Trauerfeierlichkeiten begannen die meist uniformierten Trauergäste, langsam zu ihren geparkten Wagen hinunterzugehen, wobei sie einen Bogen um das Labyrinth machten. Einige blieben noch stehen, um Dill die Hand zu schütteln und ihr Beileid zu murmeln. Während Dill und Anna Maude Singe mit langsamen Schritten den Weg zum Parkplatz hinuntergingen, schüttelte er Hände, die sich ihm entgegenstreckten, und dankte höflich für die gemurmelten Beileidsbezeugungen.
    Dill und Anna Maude waren mit einemmal fast allein im Labyrinth, als jemand Dill auf die Schulter klopfte. Sie wandten sich beide um. Sie fanden sich plötzlich eingetaucht in den engelsgleichen Schmelz eines Lächelns, das zu Clay Corcoran gehörte, der die tote Schwester geliebt hatte.
    »Ich konnte einfach nicht wegbleiben, Mr. Dill«, sagte Corcoran.
    »Ben«, sagte Dill.
    »Ben«, berichtigte sich Corcoran und richtete sein warmherziges Lächeln auf Anna Maude. »Wie geht’s, Smokey?«
    Anna Maude meinte, es ginge ihr gut. Das verwirrende Lächeln des hünenhaften Mannes verschwand, und er wurde ernst. »Ich glaube, es war eine überwältigende Beerdigung«, sagte er, »vermutlich hätte Felicity hier und da ein bißchen gekichert, aber sonst war alles doch wirklich schön.«
    Corcoran wartete offenbar auf eine Bestätigung von Dill, also meinte auch er, daß alles doch sehr schön und würdig verlaufen wäre. Corcoran blickte prüfend über die Köpfe von Dill und Anna Maude Singe hinweg zu den anderen. Etwas weiter weg bewegten sich die Polizisten in ihren Sommeruniformen am Irrgarten vorbei auf ihre Autos zu, obgleich ungefähr ein Viertel von ihnen, zumeist jene, die ihre Frauen mitgebracht hatten, sich jetzt zu kleinen, schwatzenden Grüppchen zusammenfanden.
    Corcoran dämpfte seine tiefe Stimme so sehr, bis er offenbar überzeugt war, daß sie jetzt einem vertraulichen Gemurmel gleichkam. »Hab ich Ihnen nicht gesagt, daß ich ein bißchen herumschnüffeln wollte?« Er ließ es wie eine Frage klingen, also nickte Dill bestätigend.
    »Also«, fuhr Corcoran in demselben Tonfall fort, »möglicherweise bin ich da auf etwas gestoßen.« Wieder blickte er über ihre Köpfe hinweg, als müßte er sich gegen einen Lauschangriff sichern. Anscheinend zufrieden mit dem, was er gesehen hatte, fügte er ergänzend hinzu:
    »Aber ich muß Ihnen zuerst ein paar Fragen stellen.«
    »Okay«, sagte Dill.
    »Da ist dieser Mann namens Jake Spivey, der –« Corcoran brachte den Satz nie zu Ende, und erst später ging Dill richtig auf, daß die Reflexe dieses riesenhaften Mannes unglaublich schnell gewesen sein mußten. Corcoran versetzte Dill mit seiner Hüfte einen Stoß, der ihn von den Füßen riß, so daß er hinsegelte. Er ging anderthalb Meter weiter zu Boden. Es war Dills erster Kontakt mit einer Sportart, die den Bodycheck verfeinert hatte, und diese Erfahrung war für ihn sehr ernüchternd.
    Bevor Dill noch auf dem Boden aufgekommen war, hatte Corcoran mit dem linken Arm Anna Maude Singe am Kleid gepackt und sie niedergeworfen. Der nette, freundliche Ausdruck auf seinem Gesicht war wie weggewischt, und Corcorans furchteinflößende, grimmige Miene war zurückgekehrt, als er sich auf ein Knie niederließ,

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