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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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überzeugt, daß die Schulen derartige Kenntnisse heutzutage nicht weitervermittelten.
    »Kein Zweifel, das war ihr Zimmer«, sagte er.
    Anna Maude Singe nahm eine blaugelbe Vase von einem Beistelltisch, musterte sie eingehend und stellte sie dann wieder zurück. »Ich erinnere mich noch genau, wann sie die hier gekauft hat«, sagte sie. »Das hier stammt aus einer Versteigerung in einer leerstehenden Garage. Da hat Felicity eine Menge von ihren Sachen gekauft – auf Auktionen in irgendwelchen Garagen. Sie meinte immer, das verleihe allem etwas heillos Brüchiges und Verletzliches – ein geradezu dramatisches Flair.«
    »Das ist ganz meine Schwester«, sagte Dill.
    »Ist dir sonst nichts aufgefallen?«
    »Was denn?«
    »Nirgendwo ist Staub.«
    Dill sah sich im Zimmer um, fuhr mit einem Finger über die Kante des höchsten Bücherregals und prüfte dann, ob Staub daran haftengeblieben war. »Du hast recht. Vermutlich haben sie sich jedes Buch einzeln vorgenommen.«
    »Die Polizei?«
    Er nickte.
    »Die müssen mächtig pingelig gewesen sein.«
    »Darauf hat Gene Colder wahrscheinlich großen Wert gelegt.«
    Dill schaute sich noch einmal im Zimmer um. Es gab wirklich kaum etwas zu sehen: Einen verschlissenen Orientteppich auf dem Fußboden, der, wie er mit einiger Sicherheit annahm, maschinell gewebt war; einige Bilder an den Wänden – ebensolche, wie Felicity sie schätzte, dachte Dill, was gleichbedeutend damit war, daß sie zwar sehr gefühlvoll, aber nicht eben kunstsinnig ausgeführt waren. Eines davon zeigte eine trübsinnig aussehende Frau, gekleidet nach der Mode des achtzehnten Jahrhunderts, die sich über eine Fensterbrüstung lehnte. Die ganze Haltung und die Mimik hatten für Dill etwas Selbstmörderisches. Das andere zeigte einen fetten, lärmend fröhlichen Trunkenbold, der auf einem dreibeinigen Schemel saß, auf einem Knie einen Bierkrug und auf dem anderen eine Schankmamsell. Das war offenbar frühes neunzehntes Jahrhundert. Das dritte war das Werk eines Abstrakten in einer derart grellen Farbgebung, daß das Ganze ein einziger wütender Schrei zu sein schien.
    Vor eine der Wände war eine Couch gerückt. Davor stand der obligatorische Couchtisch. Außerdem standen noch einige Stühle herum, ein Zeitschriftenständer (voll) sowie ein weiteres undefinierbares Kleinmöbel. Keines der Einrichtungsstücke paßte zusammen, aber irgendwie wirkte auch nichts völlig deplaziert.
    Vom Wohnzimmer ging ein schmaler Flur ab. Dill durchquerte ihn und stellte fest, daß rechts ein Badezimmer und links eine kleine Küche war. Er schaltete das Licht in der Küche ein und sah sofort die Gewürze. Da war ein Gewürzständer für sechzig verschiedene Sorten, in dem mindestens dreißig oder vierzig verschiedene Gefäße standen. Dann war da noch ein ein Meter zwanzig langes Regal, das mit Kochbüchern vollgestellt war. Er öffnete eine der Türen der Küchenschränke und stellte fest, daß das Fach mit Konserven vollgestellt war, nicht zu vergessen ein reichlicher Vorrat an Kool-Aid. Wie immer, dachte Dill lächelnd, sollten die eingelagerten Vorräte einen ganzen Winter hindurch reichen. Eine kurze Überprüfung des Kühlschranks ergab, daß verderbliche Lebensmittel entfernt worden waren – wahrscheinlich die vorausschauende Polizei –, mit Ausnahme von sechs Flaschen Beck’s Bier. Der Kühlschrank war nicht abgeschaltet und das Bier noch immer gut gekühlt.
    »Willst du ein Bier?« fragte er Anna Maude Singe, die gerade die Küchenschubladen auf- und zuzog.
    »Ein Bier, ja, das wäre gerade richtig«, sagte sie.
    »Siehst du irgendwo einen Öffner?«
    »Hier«, sagte sie, nahm das Ding aus der Schublade und reichte es Dill.
    Er öffnete die zwei Bierflaschen und drückte ihr eine in die Hand. »Brauchst du ein Glas?« fragte er.
    »In der Flasche bleibt es kälter.« Sie nahm einen Schluck, ging zurück zu der Reihe von Schubladen und zog sie auf. »Hier, da ist das ganze Silber.«
    »Das war ihr Erbteil, als unsere beiden Eltern gestorben sind. Das war alles.«
    »Sie hat es sogar blankgeputzt«, sagte Anna Maude und schloß die Schublade wieder. »Was kommt als nächstes? Das Badezimmer?«
    »Okay.«
    Es war ein geräumiges, altmodisches Badezimmer, dessen Wände bis auf halbe Höhe mit quadratischen weißen Kacheln gefliest waren. Auf dem Boden waren sechseckige weiße Fliesen verlegt. Badewanne und Waschbecken hatten getrennte Hähne für Warm- und Kaltwasser. Im Medizinschränkchen fand sich nichts von

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