Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
Polizisten im Rahmen der Demonstrationen in die Haare bekommen hatten, ähnelte der Kollege einer lebenden Zeitbombe. »Richtig so«, hatte er seine Zustimmung zu dem gewalttätigen Vorgehen mehrerer Polizeieinheiten zum Ausdruck gebracht, »ich hätte das Demonstrantengesindel abgeknallt.« Mit hochroter Miene war er davongestürmt, jede Geste der Versöhnung oder Entschuldigung seither vermeidend. Braig hoffte nur, dass ihre Zusammenarbeit heute nicht in ein ähnliches Fiasko mündete.
    »Leck mich doch am Arsch!« Heftig auf den Boden stampfend marschierte Felsentretter aus der Wohnung.
    Braig sah den misstrauischen Blick, mit dem Marianne Heun seinen Kollegen musterte, deutete fragend ins Innere. Wortlos nickte sie ihm zu.
    Er folgte ihr in die Diele, bemerkte ihre verlegene Miene.
    »Sie dürfen sich nicht umsehen«, bat sie, »im Moment kann ich nur in die Küche. Das Wohnzimmer …« Sie schüttelte den Kopf. »Markus hat sich da eingerichtet. Vorübergehend. Ich weiß nicht, wann er wiederkommt.«
    Er betrat hinter ihr die mit einem Tisch, mehreren Stühlen und etlichen Pappkartons vollgestellte Küche, wartete, bis sie das Radio leiser gedreht und zwei Stühle vorgezogen hatte. Der Geruch des angebrannten Essens hing intensiv in der Luft. Braig schaute zum Herd, sah die angekohlten Reste einer Masse Schinkennudeln auf dem Boden einer offenen Pfanne. Er nahm auf einem der Stühle Platz, versuchte, seine Beine unter dem viel zu niedrigen Tisch zu verstauen. »Wo ist Ihr Bruder?«, fragte er. »Sie wissen, wo er sich aufhält?«
    Marianne Heun zog ihren Stuhl bis an den Herd, setzte sich dann ebenfalls. »Markus hält es nicht für nötig, mir das zu erzählen. Die kleine Schwester kapiert sowieso nichts.«
    Braig musterte das verhärmte Gesicht seines Gegenüber, überlegte, dass es sich eigentlich um eine ausgesprochen hübsche, junge Frau handelte, der im Moment allerdings jedes Selbstwertgefühl abging. Psychische Verwahrlosung, ging es ihm durch den Kopf, gab es diesen Begriff? Marianne Heun schien im Moment auf jeden Fall nicht einmal über einen Hauch von Selbstbewusstsein zu verfügen. Weil sie eine schwere, an die Substanz gehende Enttäuschung erlitten oder von einem bösen Schicksalsschlag getroffen worden war? »Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«, fragte er.
    Sie wagte nicht, ihn direkt anzusehen, schaute mit flackernden Augen und nervösen Kopfbewegungen an ihm vorbei. »Das war, das war …« Sie kam ins Stottern, verschluckte sich vor Aufregung, hustete. »Vor ein paar Tagen«, sagte sie dann. »Ich glaube, am Freitag.«
    »Und seither …?«
    Die Frau öffnete ihre Hände, hielt sie zum Zeichen ihrer Ahnungslosigkeit in die Höhe.
    »Er hat nichts hören lassen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wo kann er sein?«
    Marianne Heun ließ ein abschätziges Zischen hören. »Bei einem seiner Freunde wahrscheinlich.«
    »Sie kennen sie mit Namen?«
    »Ich?« Sie lachte kurz auf. »Die kleine Schwester? Was geht die das an?«
    »Irgendeinen werden Sie doch kennen.«
    »Buddha«, sagte sie.
    »Buddha?«
    »Den hat er mal erwähnt.«
    »Und wo wohnt dieser Buddha?«
    Die Frau hielt erneut ihre geöffneten Hände in die Höhe.
    »Der korrekte Name, seine Adresse, die Telefonnummer?«, setzte Braig hinzu.
    »Ich kenne den nicht.« Marianne Heun schüttelte den Kopf.
    Er musterte ihr immer noch deutlich gerötetes Gesicht, sah ihren unstet flackernden Blick, die ganze Unsicherheit, die ihre leicht nach vorne gebeugte Körperhaltung zum Ausdruck brachte. Die Frau schien selbst von ihrem eigenen Bruder wie ein unmündiges Kind behandelt zu werden. Er atmete tief durch, versuchte, sich auf seine eigentliche Fragestellung zu konzentrieren. »Wie lange wohnt Herr Ruppich, ich meine, Ihr Bruder jetzt schon bei Ihnen?«
    Sie starrte mit weit aufgerissenen Augen an ihm vorbei. »Seit, seit …«
    »Seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis«, kam er ihr zu Hilfe.
    Sie nickte zustimmend.
    »Ganz schön dumm, so lange hinter Gittern zu sitzen«, meinte er.
    Ihre Antwort kam postwendend. »Die haben ihn reingelegt.«
    »Wer?« Braig sah überrascht auf.
    »Die in der Hütte.« Zur Bekräftigung ihrer Worte klopfte sie mit den Fingern ihrer rechten Hand auf den Tisch.
    »In der Hütte, wo er die junge Frau vergewaltigen wollte?«
    Marianne Heun schüttelte aufgeregt ihren Kopf. »Markus war es nicht. Die haben es getan, nicht er.«
    »Was haben die getan?«, fragte Braig.
    »Die sind über das Mädchen

Weitere Kostenlose Bücher