Schwaben-Filz
rassige Blondine im ultrakurzen, weißen Rock und schwarz gemusterten Netzstrümpfen hatte vor dem Tisch Stellung bezogen, den Mann an Neundorfs Seite enthusiastisch mit den Augen verschlingend. Sie trug eine hautenge, weiße Bluse, demonstrierte mehr als deutlich, dass sie kein Milligramm Fett zu viel am Körper hatte.
Mein Gott, wirf dich doch gleich hier an Ort und Stelle auf ihn, arbeitete es in Neundorf, bis heute Abend sind es noch lange sieben, acht Stunden, das hältst du niemals durch, du läufige Zicke.
Weissmann konnte kaum reagieren, so schnell hatte die junge, aufgetakelte Frau die Regie übernommen. Sie warf sich dem in die Höhe schießenden Mann an die Brust, küsste ihn rechts und links, kniff ihm dann vertraulich in die Seite. »Du hast Sehnsucht nach mir, deswegen bist du gekommen, gib es zu, ja?«, stöhnte sie ihm lasziv in einer Lautstärke ins Ohr, dass sämtliche Gäste des Cafés jedes Wort mitbekamen, ob sie wollten oder nicht. »Oder hast du Lust auf eines der anderen Mädels?« Sie löste sich laut kichernd von ihm, ließ ein paar gurrende Laute hören, winkte ihre Begleiterinnen zum Tisch.
Wenige Sekunden später war Weissmann von einer ganzen Traube lachender und kichernder, junger Frauen umringt, deren Aufmachung sich bezüglich ihrer Figuren wie ihrer Kleidung verblüffend ähnelte. Neundorf nippte an ihrer Tasse, hatte keine Lust mehr, den Rest zu sich zu nehmen. Die Szene neben ihr kam ihr nur allzu bekannt vor. Das Geschmatze, Gekirre, Gegurre.
Wie bei den Hühnern im Stall ihrer Tante, die sich gackernd und aufgeregt scharrend um ihren laut krähenden Herrn und Meister scharten. Mit dem Unterschied, dass Weissmann überhaupt keine Anstalten machte, zu krähen. Weder laut noch leise. Die Hühner um ihn herum waren auch so schon in purer Ekstase.
11. Kapitel
Einzig die Frage, wie die Festnahme Markus Ruppichs am gefahrlosesten für alle Beteiligten zu bewerkstelligen war, beschäftigte Braig, als er kurz nach 14 Uhr zum zweiten Mal an diesem Tag in Plieningen vorstellig wurde. Felsentretter, der einzige zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfügbare Kollege, hatte nach ausführlicher Kenntnisnahme des Sachverhalts darauf gedrängt, die Verhaftung sofort und ohne die relativ zeitaufwändige Beteiligung eines Sondereinsatzkommandos vorzunehmen, um Ruppich möglichst wenig Zeit zur Flucht zu lassen. Sie hatten die Lage der Wohnung in Plieningen gegoogelt, eventuelle Hintereingänge und Fluchtmöglichkeiten überprüft, waren dann gemeinsam aufgebrochen.
»Den Kerl nehme ich mir persönlich zur Brust. Kaum in Freiheit und gleich wieder um sich ballern – die Typen sind mir besonders sympathisch.« Felsentretters Drohung schwebte wie eine Hypothek über dem Einsatz.
Braig kannte das ungestüme, oft jedes Recht und Gesetz missachtende Verhalten des Kollegen zur Genüge, versuchte, seine Aggressionen zu mäßigen. »Eines dürfen wir nicht vergessen: Wir besitzen keinerlei Beweis, dass Ruppich wirklich der gesuchte Mörder ist.«
»Ohne Grund saß der garantiert nicht im Gefängnis. Oder willst du mir erzählen, dass wir es mit dem heiligen Christkind zu tun haben?«
»Das habe ich nie behauptet. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass wir bisher nur einen Verdacht gegen den Mann hegen, mehr nicht.«
»Danke für die Belehrung. Ich weiß, dass es nur um einen Verdacht geht. Den Verdacht, dass das Aas einen oder vielleicht sogar schon zwei Menschen vorsätzlich massakrierte und genau dasselbe mit weiteren Leuten plant. Vielleicht jetzt in dem Moment, wenn wir Pech haben. Ich werde deine weisen Worte im Gedächtnis bewahren, wenn der Dreckskerl mit entsicherter Knarre auf mich anlegt.«
Das Haus am Rand Plieningens war von mehreren Autos zugeparkt, als sie mit gebremstem Tempo darauf zurollten.
»Der Fluchtwagen steht bereit«, knurrte Felsentretter. »Fragt sich nur, welche Schrottlaube dafür vorgesehen ist.« Er riss das Steuer scharf nach rechts, schob den Wagen in die schmale Lücke zwischen einem verbeulten Corsa und einem uralten Golf, ließ ihn mit der Front zum Haus stehen. »So, jetzt kann er schon mal nicht abhauen.«
Braig fand kaum Platz, die Tür zu öffnen, drückte sich durch den schmalen Spalt auf die Straße. »Marianne Heun«, äußerte er mit gedämpfter Stimme, die Haustür vor Augen.
Der Name von Ruppichs Schwester prangte in vergilbten, nur noch schwer zu entziffernden Großbuchstaben neben einem der beiden Klingelknöpfe im ersten Obergeschoss. Er hatte auf
Weitere Kostenlose Bücher