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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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sprang von seinem Stuhl auf, brüllte sich den Frust aus dem Leib. »Ich war nicht in der Hütte, als es passierte, verdammt noch mal, wie oft soll ich das noch betonen? Es ist unglaublich, was Sie mir da unterschieben wollen. Wenn Sie jetzt keine Ruhe geben, schalte ich meinen Anwalt ein. Und was Ihren Polizeischutz anbelangt – ich pfeife drauf! Ich habe mit der Sache nichts zu tun, ich weiß nicht, wer mich bedrohen soll und warum.«
    Braig wartete mehrere Sekunden, bis sich der Mann wieder beruhigt hatte, ging dann auf dessen letzte Sätze ein. »Sie wünschen keinen Polizeischutz, obwohl Grobe und Robel ermordet wurden?«
    Neuber zögerte mit seiner Antwort, musterte den Kommissar. »Mein Gott, warum glauben Sie mir nicht?«, schimpfte er, ließ sich dann wieder auf seinen Stuhl fallen. Das Mobiliar ächzte laut.

19. Kapitel
    Thomas Salier schien tief und fest geschlafen zu haben. Mit müden Augen lehnte er an der nur einen Spaltbreit geöffneten Wohnungstür, kaum fähig zu erkennen, wer da Einlass begehrte.
    »Hallo«, grüßte Neundorf, »tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe.«
    »Wer sind Sie?«, nuschelte er vor sich hin, kniff die Augen zusammen, versuchte sie ins Visier zu nehmen.
    Kurz nach ihrem Anruf hatte sie Waiblingen verlassen und war nach Schwieberdingen gefahren. Das Haus, in dem er wohnte, zu finden, war nicht einfach gewesen. Schwieberdingen lag nur wenige Kilometer von Ludwigsburg entfernt und war durch mehrere Funde aus der Steinzeit bekannt geworden. Die Fotos der sterblichen Überreste einer jungen Frau, die etwa 4000 vor Christus gelebt hatte und von den Archäologen
Mathilde
genannt wurde, waren um die halbe Welt gegangen. Man hatte ihr Skelett in einem Hockergrab auf der Gemarkung der von moderner Architektur und einem großen Gewerbe- und Industriegebiet geprägten kleinen Stadt gefunden.
    Neundorf stellte ihren Wagen ab, kam gleichzeitig mit einer jungen Frau vor dem gesuchten Haus an. Sie grüßte sie, betrat hinter ihr das Treppenhaus, lief die Stufen ins erste Obergeschoss hoch. Sie läutete, musste fast eine halbe Minute auf eine Reaktion warten.
    »Ja, ja, ja«, maulte eine männliche Stimme aus dem Inneren, nachdem sie die Glocke ein weiteres Mal betätigt hatte. Ein verschlafen wirkender Mann öffnete die Tür, versuchte, seine Augen auf sie zu fokussieren.
    »Neundorf«, stellte sie sich vor, zugleich ihren Ausweis präsentierend. »Landeskriminalamt. Wir haben miteinander telefoniert.«
    Langsam schien ihr Gegenüber zu verstehen. »Ja, Sie wollen mit mir reden.«
    Sie nickte, wartete, bis er von der Tür zurücktrat und sie passieren ließ, hatte den Geruch sofort in der Nase. Schales Bier und schärfere Kaliber. Jägermeister, wie sie beim ersten Blick ins wenig gepflegte Wohnzimmer sah.
    »Sie müssen entschuldigen.« Er kämpfte den Weg durch die schmale Diele vor ihr frei, indem er Schuhe, Unterhosen, Bierdosen und Fertiggerichtebehälter zur Seite kickte, warf den Wäschehaufen aus schmutzigen Hemden und stinkenden Strümpfen hinter das Sofa, um ihr einen Platz anbieten zu können. Mit den Händen das Gesicht massierend befreite er sich von den gröbsten Spuren des Schlafes. Er war vollständig bekleidet, schien in kompletter Kleidung geruht zu haben.
    Männer, überlegte Neundorf, es muss Jahrzehnte her sein, dass ein weibliches Wesen diese Wohnung betreten hat. Aber sollte er nicht gerade erst umgezogen sein?
    Sie ließ sich vorsichtig nieder, überprüfte mit kritischem Blick, ob das Polster unter ihr einigermaßen sauber war.
    »Geht es?«, fragte er unsicher.
    »Ja, ja.« Sie winkte mit der rechten Hand ab, signalisierte ihm, ebenfalls Platz zu nehmen. Hauptsache, er bot ihr nichts zu trinken oder zu essen an. So musste die Ausbreitung des EHEC-Virus begonnen haben. In einer nur von einem Mann bewohnten Müllhalde. Von wegen ägyptische Sprossen.
    Sie wartete, bis er sich einen der Stühle freigeräumt hatte, versuchte, ihre Augen nicht mit dem Anblick des Tisches zu quälen, auf dem von Essensresten verklebte Töpfe und Teller sowie unzählige leere Bier- und Likörflaschen neben- und ineinander standen, hingen und lagen. Die einzigartige Geruchsmelange, die von den reichlich vorhandenen organischen Materialien ausging, konnte sie ihrer Nase freilich nicht ersparen.
    »Meike Kleemann«, erklärte sie, kaum dass er auf dem wackligen Stuhl endlich Halt gefunden hatte. »Wieso haben Sie sich nicht bei uns gemeldet, als Sie ihr Foto im Internet

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