Schwaben-Filz
freiem Mund. »Von zwei kräftigen Händen erwürgt, die Abdrücke waren noch zu erkennen. Und anschließend mit einem harten Gegenstand erschlagen. Die Wunde am Hinterkopf. Was letztendlich zum Tode führte, kann ich erst nach der Obduktion sagen. Da wollte jemand ganz sicher gehen.«
»Wann ist es passiert? Ich meine, so in etwa …«
»Meinem vorläufigen Befund nach mitten in der Nacht. Als ich sie vor mir hatte, war es mindestens drei bis vier Stunden her. Nach dem ersten Augenschein, bitte. Vor fünf und nach Mitternacht, würde ich mal vermuten. Es sei denn, ich stoße bei der Untersuchung auf Überraschungen.«
»Ihr vorläufiger Befund, danke, der reicht vollkommen.« Neundorf kannte den Gerichtsmediziner seit mehreren Jahren, wusste um seine fachliche Kompetenz. Dr. Holger Schäffler war noch relativ jung, Ende dreißig ihrer Schätzung nach, galt dennoch bereits als Koryphäe seines Fachs. Natürlich musste er die Leiche obduzieren, bevor er sich zu einem endgültigen Urteil fähig sah, aus der Erfahrung heraus wusste sie jedoch, dass seine erste Aussage dem Untersuchungsergebnis fast immer verblüffend nahe kam, sie sich im Grundsatz darauf verlassen konnte. In den Stunden zwischen Mitternacht und fünf Uhr also war die Frau ermordet worden – von einem Täter, der sie erst brutal gewürgt und anschließend mit einem harten Gegenstand auf sie eingeschlagen hatte.
»Glauben Sie, dass es am Fundort passiert ist?«
Dr. Schäffler ließ sich mit seiner Antwort Zeit. »Die Wunde am Hinterkopf, sie muss einiges Blut verloren haben. Ihre Spurensicherer müssen sich darum kümmern.«
Neundorf bedankte sich für die Auskunft und gab ihm ihr Plazet, die Leiche abholen zu lassen. Sie wusste nicht, ob Dolde und Rauleder die Umgebung bereits nach Blut untersucht hatten, lief ins grelle Licht des Strahlers zurück, beugte sich zu den beiden Männern nieder.
»Ich frage mich, ob die Frau hier am Fundort getötet wurde«, sagte sie in gedämpftem Ton, die neugierige Menschenmenge draußen vor der Absperrung im Blick. »Die Wunde an ihrem Hinterkopf …«
»Was isch denn mit dem Weib«, kreischte eine laute Stimme von der Straße her. »Derf die denn grad do drin rumtrample wie sie will?«
Rauleder sah kurz auf, wandte sich dann seiner Kollegin zu. »Du willst wissen, ob wir Blutspuren haben, ja?« Er sah ihr zustimmendes Nicken, wies auf Dolde. »Wir fangen gleich damit an. Gib uns noch ein paar Minuten, okay?«
Neundorf hatte Schwierigkeiten ihn zu verstehen, weil die Unruhe auf der Straße zugenommen hatte, richtete sich wieder auf.
»Hent die den wirklich erschosse?«, hörte sie eine Frau schreien.
Die Antwort erfolgte postwendend. »Des isch doch koi Wunder bei dem Lompegsindel aus äller Herreländer, des sich bei os romtreibt.«
Sie beeilte sich, aus dem grellen Licht abzutauchen, marschierte an dem Beamten, der die Leiche bewachte, vorbei auf das Haus zu.
»Die Kollegen sind drin. Beim Täter«, sagte der Mann.
Neundorf betätigte die Türglocke, hörte deren melodischen Klang, der überhaupt nicht zu dem schrecklichen Geschehen, dessen Konsequenzen sie gerade begutachtet hatte, zu passen schien. Sie las das kleine Namensschild
Götz Hellner
, sah sich einer jungen Polizeibeamtin gegenüber, die die Tür öffnete.
»Guten Morgen. Mein Name ist Neundorf«, erklärte sie. »Ich komme vom LKA.«
Die Frau reichte ihr die Hand. »POM Kürzinger«, stellte sie sich vor, »guten Morgen. Sie wollen zu Herrn Hellner?«
»Ich würde gerne mit ihm sprechen, ja.«
Die junge Polizeiobermeisterin trat zurück, ließ die Besucherin eintreten. Es handelte sich um eine kleine, mit gepunkteten Fliesen ausgelegte Diele, wie sie sie von älteren Häusern her kannte, mit einem großen, vom Boden bis fast zur Decke reichenden Spiegel, der allerdings am unteren rechten Rand gesplittert war, und einer schmalen, mit zwei Kleiderhaken ausgestatteten Garderobe aus dunklem Holz.
Neundorf schloss die Haustür, folgte der Beamtin dann in ein angrenzendes, großes Wohnzimmer, das mit einem Tisch, einem Schrank, mehreren Stühlen und einem in der Nacht offensichtlich als Bett benutzten, mit Decken und Kissen belegten Sofa üppig bestückt war. Die gesamte Einrichtung wirkte altmodisch, kein einziges Möbelstück schien jünger als ein halbes Jahrhundert. Auch die dicken, leicht vergilbten Gardinen, an breiten, braunen Schienen befestigt, unterstrichen diesen Eindruck. Die beiden Männer im Eck bemerkte sie erst, als sie die
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