Schwaben-Freunde: Kommissar Braigs 16. Fall (Schwaben-Krimi) (German Edition)
eigenen Körperflüssigkeit, die sich in einem kräftigen Strom auf den Boden ergoss. Plötzlich, etwas entfernt, das Heulen eines Motors. Das Auto wurde lauter, erhellte mit dem Licht seiner Scheinwerfer die Straße, die draußen am Parkplatz vorbeiführte, verschwand schließlich in die andere Richtung. Und dann, sie hatte sich endlich vollends erleichtert, das Knacken und Knirschen von Schritten, jetzt deutlich näher, und mit einem Mal das charakteristische Schmatzen eines Schuhs, der in einen morastigen Untergrund taucht und schnell wieder daraus hervorgezogen wird – genau, wie es ihr gerade ergangen war, nicht weit von ihr entfernt. Sie tastete mit zitternden Fingern nach ihrem Slip, zurrte, zerrte, riss ihn in die gewünschte Position, griff dann nach ihrer Hose. Im gleichen Moment erkannte sie den Umriss eines Menschen unmittelbar vor ihrem Auto.
Nele Harttvaller verharrte mitten in ihrer Bewegung, versuchte, das Dunkel um sie herum mit ihren Augen zu durchdringen. Nein, sie täuschte sich nicht, es war keine Fata Morgana, der ihre Sinne hier erlagen. Eine unbekannte, in eine dicke Jacke und eine Wollmütze gehüllte Gestalt huschte zu ihrem Auto, sprang auf den Fahrersitz, warf die Tür hinter sich zu. Das Geräusch schallte laut, dem Schuss einer Waffe gleich, durch den Wald. Sie wollte schreien, laut und durchdringend, pumpte Luft in ihre Lungen, brachte keinen Ton hervor. Ihr Herz pochte, ihr Kopf drohte zu implodieren, die Stimmbänder versagten den Dienst. Lähmendes Gift schien in ihren Körper injiziert worden zu sein. Ohnmächtig wie eine Statue verharrte sie auf der Stelle.
Erst nach einer gefühlten Ewigkeit gelang es ihr, sich langsam wieder in Bewegung zu setzen. Sie zog ihre Hose hoch, spannte die Muskeln an, kam wieder auf die Beine. Im gleichen Moment, als ihr markerschütterndes Schreien den Wald aus seiner Totenruhe riss, startete die unbekannte Person den Motor ihres Wagens. Nele Harttvaller warf sich nach vorne, preschte über den Rand des Parkplatzes, sah ihr Auto mit quietschenden Reifen davonrasen. Das Fahrzeug schlingerte nach rechts und nach links, hatte Mühe, die Zufahrt zur Straße zu erreichen, scherte dann in allerletzter Sekunde zur Seite und bog unmittelbar hinter einem mit hohem Tempo dahinschießenden Wagen auf die Fahrbahn. Mit aufheulendem Motor jagte es davon.
Schreiend und mit den Armen durch die Luft rudernd rannte Nele Harttvaller hinter ihrem eigenen Auto her. Schweiß schoss ihr aus allen Poren, das Herz hämmerte wild. Mein Kind, mein Kind, tobte es in ihrem Inneren. Um Atem ringend kämpfte sie sich über die Zufahrt auf die Straße, starrte in die dichte Nebelbank, die alles verschluckte. Jede Sicht und jedes Geräusch.
2. Kapitel
Vier Monate zuvor Junger, naturverbundener und seine Tiere liebender Bio-Landwirt sucht ebenso empfindende Frau. Bitte Bild von deinen Tieren beilegen
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Die Anzeige in der Juli-Ausgabe der bunten Zeitschrift hatte sie auf die Idee gebracht.
Claudia Steib hatte das großformatige, mit seinen prächtigen Naturaufnahmen und den vielfältigen Text- und Fotodokumentationen teilweise längst vergessener Traditionen wie ein Bilderbuch wirkende Heft aus dem Briefkasten gezogen und langsam durchgeblättert.
»Die Kontaktanzeige Seite 131 – das wäre doch eine Reportage für dich!«, hatte Markus Adler mit einem dicken, roten Stift auf seinem Begleitschreiben notiert und die Annonce selbst mit einem gelben Leuchtstift markiert. »Das Leben geht weiter. Ich freue mich auf deine Zusage!«
Der gute Markus, er hatte sie nicht vergessen. Kaum zu glauben, dass in der rauen Welt des Fernsehens noch solch eine Seele von Mensch existierte. Ein Redakteur, der sich um seine freien Mitarbeiter kümmerte, als handelte es sich um seine ihm anvertrauten Schutzbefohlenen.
Im gleichen Moment, als sie die Zeilen vor Augen hatte, war ihre anfängliche Skepsis verflogen. Die beiden Sätze hatten sie derart fasziniert, dass sie zum ersten Mal seit Monaten wieder jener Neugier verfallen war, der sie ihren beruflichen Erfolg zu einem großen Teil zu verdanken hatte. Viele ihrer mit Akribie und unermüdlichem Fleiß erarbeiteten Fernsehreportagen waren von der Öffentlichkeit und den übrigen Medien mit großer Aufmerksamkeit wahrgenommen und oft mit unverhohlener Bewunderung gefeiert worden. Kein Wunder, dass erste Kommentatoren darüber spekulierten, weshalb sie seit fast zwei Jahren nichts von sich hatte hören lassen.
Bitte Bild von deinen Tieren
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