Schwaben-Gier
der Maschine. Aber sie wollen es unbedingt verhindern.«
»Einen der Männer zu entlassen?«
Monika Heller hatte sich etwas beruhigt, wischte sich die Haare aus dem Gesicht. »Herbert und Hans sind beide schon über fünfzig. Wer würde die sonst noch nehmen? Außerdem arbeiten sie ihr ganzes Leben bei uns. Sie waren als Lehrlinge schon dabei, darauf sind sie sehr stolz.«
»Warum hilft dann nicht einer der Männer im Verkauf mit? Oder bemüht sich um neue Abnehmer Ihrer Produkte?« Braig konnte das Kitzeln nicht länger ertragen, warf seine Schulter instinktiv nach vorne, schüttelte die Katze von sich ab. Das Tier plumpste vor ihm auf den Boden.
»Mama«, rief das Mädchen laut, »der macht Krümel kaputt!«
Braig bückte sich, hob die Katze hoch, reichte sie dem Kind. Sie huschte zu ihm hin, riss das Tier an sich, setzte es zu der anderen Katze aufs Sofa.
»So einfach ist das nicht«, antwortete die Frau. »Verkaufen kann nicht jeder. Nudeln erhalten Sie heute in jedem Supermarkt. Zu einem Preis, von dem wir nur träumen können. Dass es sich bei unseren Produkten um eine völlig andere Qualität handelt, müssen Sie den Leuten erst mal klar machen. Das liegt nicht jedem. Hans und Herbert jedenfalls nicht, das ging immer daneben, wenn die mich vertreten mussten.«
»Sie betreiben einen Stand auf dem Markt?«
»In Reutlingen, Stuttgart, Schwäbisch Gmünd und Ludwigsburg. Dort haben wir genügend Stammkunden, derentwegen es sich lohnt.«
»Aber den größten Teil des Verkaufs erledigt Frau Kindler selbst. Ist das richtig?«
Monika Hellers Augen füllten sich erneut mit Tränen. Sie setzte zu einer Antwort an, wurde von einem heftigen Weinkrampf daran gehindert. Die beiden Kinder starrten sie verwundert an, reagierten dann verschieden: Der Junge fuhr seiner Mutter sanft über die Wangen, immer wieder »Mama weh weh« vor sich hin murmelnd, das Mädchen traktierte Braig und Neundorf mit bösen Blicken.
»Marianne verkauft ungefähr die Hälfte der Produktion«, presste die Frau schließlich hervor, »je nachdem, wie es läuft. Für den Rest sorgen ich und der direkte Absatz in der Fabrik.«
Braig wartete, bis Monika Heller wieder etwas zur Ruhe gefunden hatte, reichte ihr ein Papiertaschentuch, damit sie sich das Gesicht reinigen konnte. »Das heißt, Frau Kindler arbeitet, was den Verkauf anbetrifft, vollkommen selbständig, ohne Wissen der übrigen Firmenmitarbeiter?«
»Ja, so funktioniert es am besten. Sie hat Talent, weiß genau, welche Kunden sie als nächste aufsuchen muss, damit es sich lohnt.«
»Und sie ist jeden Tag unterwegs?«
»Je nachdem. Manchmal jeden Tag, manchmal mit Unterbrechungen. Darüber entscheidet sie allein. Natürlich hat sie freie Tage. Aber das hängt von der Jahreszeit ab.« Sie wischte sich die Tränen aus den Augen, streichelte den Jungen.
»Wehweh vorbei?«, fragte das Kind.
Monika Heller nickte.
»Wann haben Sie Frau Kindler zum letzten Mal gesehen?«, fragte Neundorf.
»Am Sonntagmittag. Wir haben zusammen gegessen. Hier bei uns.« Sie deutete zur Seite auf den großen Tisch, brach erneut in Tränen aus. »Das kann doch nicht sein, dass Marianne nicht mehr lebt«, schluchzte sie, mit einer Kopfbewegung auf das Sofa weisend, »hier hat sie noch mit den Kindern gespielt.« Sie stand auf, lief aus dem Zimmer.
Braig hörte, wie sie eine Tür öffnete, dann rauschte Wasser. Der Junge sprang auf, rannte seiner Mutter nach. Als das Rauschen des Wassers verstummte, war die flehende Stimme des Kindes zu hören. Braig und Neundorf warteten ruhig, ohne ein Wort zu sagen, beobachteten die Spiele der kleinen Katzen. Nach wenigen Minuten kehrte Monika Heller verweint, den Jungen auf dem Arm, ins Zimmer zurück.
»Sie müssen entschuldigen«, sagte sie, »ich bin einfach zu fertig. Ich weiß im Moment wirklich nicht, was ich Ihnen erzählen soll. Ohne Marianne … Ich weiß es nicht.«
Neundorf reagierte als Erste. Sie stand auf, legte ihrer Gastgeberin die Hand auf den Arm, versuchte, ihr Mut zuzusprechen. »Wir lassen Sie jetzt in Ruhe. Tut mir Leid, dass wir keine erfreulichere Botschaft für Sie hatten. Vielleicht finden Sie bei Ihren Kindern etwas Trost. Schaffen Sie es allein oder sollen wir jemand aus Ihrem Verwandtschafts- oder Bekanntenkreis rufen?«
Die Frau schüttelte den Kopf, warf Braig, der sich ebenfalls erhob, einen abwesenden Blick zu, begleitete die Kommissare zur Tür. »Glauben Sie, dass Sie den finden, der Marianne das angetan hat?« Ihre Stimme war
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