Schwaben-Gier
seinem Handy ein, folgte den Treppen nach unten. Er passierte die Sicherheitsschleuse, winkte dem Pförtner zu, als er das Haus verließ. Die Kantine des Amtes lag in einem flachen, dem Komplex der LKA-Gebäude benachbarten Bau. Er lief die sanft ansteigende Rampe hoch, studierte die kurze Liste der angebotenen Mahlzeiten, entschied sich für Maultaschen mit Salat. Die Schlange vor der Essensausgabe war überraschend kurz; innerhalb weniger Minuten hatte er das Tablett mit seinem Wunschmenü gefüllt. Er schaute in den Raum, sah das heftige Winken auf der Seite, erkannte Markus Schöffler, einen der Techniker. Braig steuerte direkt auf ihn zu, stellte sein Tablett bei ihm ab, gab ihm die Hand.
»Du hast von Rail gehört?«, empfing ihn der Kollege.
Braig zog einen Stuhl vor, nahm Platz. »Ann-Katrin hat mich angerufen. Sie hatte mehrfach Dienst mit Sandra.«
Schöffler donnerte so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass die Teller klirrten. »Ich kann es nicht fassen.«
Braig sah den überraschten Blick eines Kollegen am Nachbartisch, hörte Schöfflers lautes Schimpfen. »Wieso hat er das getan?« Der Techniker schüttelte den Kopf, griff nach seiner Gabel, begann zu essen.
Braig wusste nicht, was er antworten sollte, zog den Salatteller zu sich her. »Wir waren im selben Kurs.«
Schöffler hielt mitten im Kauen inne. »Du?«
»In Villingen-Schwenningen.« Er stocherte im Salat herum, aß langsam.
»Ich kenne ihn von Ludwigsburg her«, erklärte der Techniker. »Das gleiche Ermittlungsteam.«
Braig wollte nicht länger daran denken, versuchte, sich auf sein Essen zu konzentrieren.
»Macht uns dieses Übermaß an Gewalt kaputt?«
Er schaute auf, sah Schöfflers fragende Miene.
»Verstümmelte, viel zu früh ums Leben betrogene Körper, fast jeden Tag. Ist es das?«
»Ich weiß es nicht.« Braig kaute schwer, hatte Mühe, seine Teller zu leeren, dem Hunger zum Trotz. Er spürte nicht mehr, ob es schmeckte, schob lustlos Gabel auf Gabel in den Mund.
»Vor zwei Jahren wollte meine Frau sich scheiden lassen«, sagte Schöffler, »weil sie den Kerl, mit dem sie angeblich verheiratet ist, vor lauter beruflicher Anspannung kaum noch zu Gesicht erhält. Was wird sie heute Abend sagen, wenn sie mich sieht?«
Er schaute Antwort heischend zu Braig, formulierte selbst, worauf er hinaus wollte. »Dass sie sich jetzt scheiden lassen will, weil es ihr zu gefährlich ist, mit einem Polizeibeamten zusammen zu sein?«
»Das passiert nicht nur Leuten unseres Berufes«, erwiderte Braig. Er ärgerte sich darüber, sich Schöfflers schwermütigen Gedanken ausgeliefert zu haben, war froh, vom Läuten seines Handys abgelenkt zu werden. Er zog das Gerät vor, hatte Daniel Schieks Stimme am Ohr.
»Ich besorge mir jetzt noch schnell was bei einem Bäcker und mache mich dann auf den Weg. Wir treffen uns in Reutlingen, okay?«
Braig sagte ihm zu, steckte das Handy weg.
»Du arbeitest selbst an einem Fall?«, fragte Schöffler.
»Marianne Kindler. Sie hat eine kleine Nudelfabrik …«
»Oh mein Gott, ich habe die Bilder gesehen. Rauleder ist an der Sache. Die Leiche sieht grauenvoll aus. Vom gleichen Fahrzeug mehrfach überfahren, ja?«
Braig nickte, sah, wie Schöffler die Nudeln auf seiner Gabel musterte.
»Vielleicht stammen die aus ihrer Fabrik?«
»Keine Ahnung.«
»Na ja, du hast Maultaschen gewählt. Produzieren sie die auch?«
»Ich weiß es nicht.« Braig fühlte sich zunehmend unwohl. Er aß schweigend den Rest des Salats, schaute demonstrativ auf seine Uhr, erhob sich. »Ich muss«, sagte er dann, verabschiedete sich von dem Kollegen. Er stellte sein Tablett auf die Ablage, war froh, als er die Kantine verlassen konnte.
Auch wenn es immer noch nieselte, die frische Luft wirkte befreiend. Er schritt kräftig aus, atmete tief durch. Mit jedem Meter, den er sich vom Amt entfernte, fühlte er sich besser.
7. Kapitel
Daniel Schiek hatte bereits den ersten Umriss eines markanten männlichen Gesichts auf den Bildschirm seines Laptop gezaubert, als Braig im Restaurant Friedrich’s auf die beiden Männer traf. Er hatte die Buchhandlung Osiander von der Fußgängerzone aus betreten, war durch die weitläufig verteilten Auslagen nach links zur Treppe gelaufen, hatte die gepflegte Gaststätte im ersten Obergeschoss entdeckt.
Schiek sah ihn kommen, machte ihn mit Daniel Krizic, dem Oberkellner des Lokals bekannt, ließ dann innerhalb weniger Minuten unter ständigem Rückfragen und sich Versichern, richtig gezeichnet
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