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Schwaben-Gier

Schwaben-Gier

Titel: Schwaben-Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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»habt ihr die Erde nur an ihrer Hose gefunden oder auch an ihrer Jacke?«
    »Überall«, erklärte der Techniker, »sogar in ihren Haaren. An den Schuhen, den Hosen, der Jacke, an ihrem Hinterkopf. Ihr gesamter Körper lag auf einem Acker oder, wie erwähnt, einem Feldweg, als sie überfahren wurde.«
    Braig, der ahnte, welch intensive Arbeit dieser Entdeckung zugrunde lag, bedankte sich für die Mühe der Kollegen. Er wollte das Gespräch schon beenden, als ihm noch etwas einfiel. »Wie ist das mit dieser Erde? Lässt die sich einer bestimmten Region, vielleicht sogar einem Ort, genau zuordnen? Aufgrund ihrer Qualität, der Zusammensetzung, den Mikropartikeln, die sie enthält, meine ich?«
    Rauleder seufzte laut. »Am besten noch genau dem Feldweg, auf dem die Frau überfahren wurde?«
    »War ja nur eine Frage.«
    »Im Sommer vielleicht, jedenfalls in Ansätzen. Dann könnten wir in der Tat nach Spuren von Pflanzen suchen und sie mit viel Glück bestimmten Anbauregionen zuordnen. Aber jetzt im März – tut mir Leid. Die ersten Blüten sind zwar da – aber das ist noch zu wenig. Alles, was wir sagen können, ist, dass es sich um lehmige Erde handelt, aber die gibt es in weiten Teilen des Landes. Von Belang ist diese Tatsache erst, wenn du uns einen konkreten Verdacht mitteilst – dann können wir feststellen, ob die Tote dort gelegen haben kann oder nicht.«
    »Immerhin etwas«, sagte Braig, »aber um einen konkreten Verdacht auszusprechen, ist es noch zu früh.«
    »Vielleicht hast du Glück und bist bald soweit, dann schauen wir uns die Erde noch mal an.« Rauleder machte eine kurze Pause, hustete, meldete sich dann wieder zu Wort. »Bevor ich es vergesse: Wir haben die Kleidung der Frau auf Reifenspuren hin analysiert. Weil die Ärztin vom mehrfachen Überrollen der Toten durch verschiedene Fahrzeuge sprach.«
    »Der Gerichtsmediziner hat das bestätigt.«
    »Das ist gut. Wir haben versucht, Abdrücke zu identifizieren. Leider ist uns das nur teilweise gelungen. Aber eines können wir trotzdem sagen: Die sind sich alle verblüffend ähnlich.«
    »Das heißt …«
    »Wir können es nicht vollständig belegen, schlussfolgern aber dennoch: Die Frau wurde von einem einzigen Fahrzeug überrollt. Mehrfach.«
    Braig verstand sofort, was das bedeutete: Es handelte sich wirklich, wie schon von Anfang an vermutet, um die Tat eines vollkommen außer Rand und Band geratenen Täters, eines Menschen, der in der Begegnung mit Marianne Kindler jede Kontrolle über sich verloren hatte. Die Erkenntnis, dass die Frau nur von einem Fahrzeug überrollt wurde, stand im Einklang mit den überaus brutalen Entstellungen, die sie an ihrer Leiche ausgemacht hatten. Braig, der sich schon unzählige gewaltsam verstorbene Körper hatte ansehen müssen, war sich darüber im Klaren, dass nur eine außergewöhnlich intensive Eruption von Hass einen Menschen dazu veranlasst haben konnte, seinem Opfer dergestalt zuzusetzen. Zuerst mehrfach geschlagen und getreten, dann mehrere Male überfahren – alles von ein und derselben Person ausgeführt. Die typische Beziehungstat, geprägt von völlig unkontrolliert eskalierten Emotionen. Wer anders als ein in intimer Beziehung zu Marianne Kindler stehender Mensch kam dafür infrage?
    »Ihr müsst das Schwein kriegen«, sagte Rauleder, »der darf nicht länger frei herum laufen.«
    Braig wusste, dass der Kollege Recht hatte, bedankte sich für die Informationen, legte den Hörer auf. Er spürte die zunehmenden Kopfschmerzen, lief zum Wasserhahn, erfrischte sein Gesicht, setzte Kaffee auf. Als die ersten Tropfen der dunklen Flüssigkeit in die gläserne Kanne schossen, läutete das Telefon. Er fühlte sich genervt, überlegte, ob er reagieren sollte, nahm nach einigem Zögern dennoch ab. Das von hemmungslosem Weinen unterbrochene Gestammel am anderen Ende elektrisierte ihn sofort.
    »Ann-Katrin?«, rief er, lief vollends um den Schreibtisch, ließ sich auf den Stuhl fallen, »was ist passiert?« Er lauschte in den Hörer, wartete auf eine Antwort, hörte nur ihr heftiges Schluchzen, hatte Mühe, ruhig zu bleiben. »Was ist los?«
    »Sandra«, stammelte sie schließlich, »Sandra. Sie ist tot.«
    »Sandra? Deine Kollegin?« Er kannte die attraktive junge Frau, die wie seine Freundin bei der Waiblinger Polizeidirektion beschäftigt und mehrfach gemeinsam mit ihr Streife gefahren war. »Was ist passiert?«
    Ann-Katrin hatte Mühe, Worte zu finden. »Sie hat am selben Tag Geburtstag wie ich und ist genauso

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