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Schwaben-Gier

Schwaben-Gier

Titel: Schwaben-Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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um die Frage, welche Rolle die vermisste Frau wohl in dem Mord an Marianne Kindler spielte. War es möglich, dass die Nudelfabrikantin von ihrer Nachbarin getötet worden war?
    Erst die lauten Signale eines Handys, die denen seines eigenen verblüffend ähnlich waren, hatten ihn aus seinem Grübeln erwachen lassen. Automatisch hatte er in seine Tasche gefasst, dann aber an der Reaktion seines Gegenüber erkannt, dass der Anruf einem anderen Adressaten galt. Der Mann hatte das Gespräch mit müdem Gesichtsausdruck angenommen, war dann aber im Verlauf der Unterhaltung in solche Euphorie verfallen, dass seine Stimme fast alle Mitreisenden aus ihrem Dämmerschlaf riss. Braig wie alle anderen hatten schnell begriffen, was der Anlass des Anrufs war.
    »Des gfrait mi aber, dass du mir gratuliersch«, hatte der Mann ein ums andere Mal lauthals wiederholt, »i han denkt, du hättsch mein Geburtstag scho lang vergesse!«
    Wer den Gratulationsreigen eröffnet hatte, wusste Braig später nicht mehr zu erinnern. Irgendein Mitreisender war an den Mann herangetreten, kaum dass sein Gespräch beendet war, hatte sich vergewissert, richtig gehört zu haben und ihm dann mit festem Händedruck gratuliert. Die Stimmung im ganzen Wagen hatte sich schlagartig verändert. Einer nach dem anderen, Braig eingeschlossen, hatte seine Glückwünsche dargebracht. Wer die prall gefüllte Schachtel Pralinen spendiert hatte, spielte keine Rolle, sie machte unter lauten Kommentaren und vielfältigem Lachen die Runde. Aus der zufälligen Ansammlung schläfrig-gleichgültiger Heimkehrer war eine gutgelaunte, eifrig in vielstimmige Gespräche vertiefte Runde geworden, die ihre am Ziel angelangten Mitreisenden von Bahnhof zu Bahnhof lauthals verabschiedete.
    Braig fühlte sich um Jahre jünger, als er der Tordis-Hoffmann-Straße folgte und die Klingel an Monika Hellers zitronengelbem Haus drückte. Dass er eine Weile warten musste, bis die Tür endlich geöffnet wurde, brachte ihn daher nicht aus der Ruhe. Er schaute die Straße auf und ab, sah, dass zahlreiche Menschen unterwegs waren. Mehrere Autos parkten auf beiden Seiten, vor dem Haus Margarethe Geisslers stand eine Gruppe älterer Frauen, in intensive Gespräche vertieft. Braig betrachtete die Leute, überlegte, ob es um ein erneutes Erscheinen des angeblichen Engels ging.
    »Morgen kommt er wieder«, sagte eine Stimme hinter ihm, »er will Bescheid geben, was es mit dem Verschwinden Frau Layers auf sich hat.«
    Braig drehte sich um, sah Monika Heller vor sich stehen. Sie trug ein langes schwarzes Kleid, streckte ihm die Hand entgegen.
    »Von wem sprechen Sie?«, fragte er.
    »Der Engel«, antwortete sie lächelnd, auf die andere Straßenseite deutend, »das ist neben Mariannes Tod zur Zeit das wichtigste Thema hier.«
    »Frau Layers Verschwinden.«
    »Morgen früh soll er kommen. Noch vor Mariannes Beerdigung.«
    Er reichte der Frau die Hand, rümpfte die Nase. »Der Engel weiß, wohin sie verschwunden ist, ja?«
    »So heißt es, genau.«
    Er entschuldigte sich, dass er sie schon wieder mit seinem Besuch belästigte, sah ihr Kopfschütteln.
    »Sie stören nicht«, erwiderte sie, »im Gegenteil. Es ist gut, dass Sie kommen. Ich wollte Sie gerade anrufen.« Sie bat ihn ins Haus, führte ihn in ihr Wohnzimmer.
    Braig kämpfte sich durch die Ansammlung von Puppen, Tierfiguren und Bällen in der Diele, nahm überrascht den Mann wahr, der auf dem blauen Sofa saß. »Sie haben Besuch«, sagte er.
    Monika Heller nickte. »Darf ich vorstellen, Herr Decker, Kommissar Braig.«
    Er musterte den Mann, der bleich und krank wirkte, von eingefallenen Wangen und viel zu weiter Kleidung gekennzeichnet war, reichte ihm die Hand. Er schätzte ihn auf Mitte fünfzig.
    »Hans wurde gestern aus dem Krankenhaus entlassen. Es geht ihm noch nicht besonders.«
    Braig begriff, um wen es sich bei dem Mann handelte. »Sie arbeiten bei der Firma Kindler?«, fragte er.
    Decker nickte, ohne ein Wort zu äußern.
    »Du brauchst nichts zu sagen. Ich rede für dich«, erklärte Monika Heller, fuhr dann, zu Braig gewandt, fort. »Hans hatte eine schwere Mandeloperation. Er kann nur unter Schmerzen sprechen.«
    Der Mann bestätigte ihre Worte durch ein erneutes Nicken.
    Braig sah, wie seine Hände zitterten. »Sie sollten nicht im Bett liegen?«, fragte er.
    Monika Hellers Antwort klang fest und bestimmt. »Er will morgen auf die Beerdigung. Es ist nicht gut, vorher bis zur letzten Minute im Bett zu bleiben. Außerdem hat er es nicht

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