Schwaben-Gier
…«
»Vielleicht kannst du bei der Gerichtsmedizin Miethoffs genaue Verletzungen abgleichen.«
»I kümmer mi drum. Soviel fürs Erschte.«
Braig bedankte sich für die Nachricht, informierte Rössle, dass Rauleder auf dem Weg zu ihm war. Er sah, wie die Dämmerung langsam von der Umgebung Besitz ergriff, hoffte, dass es den Spurensicherern nicht allzu schwer fallen würde, ihre Arbeit vollends zu tun. Er spürte, wie er fror, hüllte sich fester in seine Jacke, zog den Reißverschluss zu. Die Temperatur war im Verlauf der letzten halben Stunde spürbar gefallen. Aus dem Dorf hörte er das Bellen von Hunden, er passierte die ersten Häuser, sah zwei Retriever mit weit heraushängenden Zungen auf sich zuspringen. Die Tiere jagten einander hinterher, hatten offensichtlich die Acker außerhalb Oettingens zum Ziel. Er blieb stehen, als sie an ihm vorbeisprinteten, bemerkte den Radfahrer, der, zwei Leinen um die rechte Hand gewickelt, um die Ecke kam. Der Mann beachtete ihn nicht, pfiff zweimal durch die Zähne, starrte zu den Hunden. Die Tiere blieben kurz stehen, warfen einen hastigen Blick zurück, setzten sich dann wieder in Bewegung.
Braig schaute auf seine Uhr. Kurz nach halb sieben. Die Zeit, in der die ersten Hundehalter ihren Tieren Auslauf gewährten. War das die Chance, auf Menschen zu treffen, die am Montagabend in dieser Gegend irgendetwas Auffälliges bemerkt hatten?
Er spürte die kalte Luft, fröstelte, schritt schneller aus. Er musste die Namen all derer ermitteln, die hier ihre Vierbeiner auszuführen pflegten und sich dann einen nach dem anderen vornehmen, um ihn auf jenen Abend hin zu befragen.
Das Signal aus seiner Jackentasche riss ihn aus seinen Überlegungen. Er zog sein Handy vor, erkannte auf dem Display Neundorfs Nummer.
»Tut mir wirklich Leid«, begann seine Kollegin, »aber ich war bis jetzt beschäftigt. Ohne Unterbrechung. Koch wollte es nicht wahrhaben, dass Miethoffs Tod auf dessen rücksichtslose Geschäftspraktiken zurück zu führen ist. Frau Kindler als Täterin – die kann der Presse nicht als die Mordbestie verkauft werden, nach der er die ganze Zeit suchte. Und der Heiligenschein des erfolgreichen Managers ist jetzt unwiderruflich zerstört.«
»Es gibt keinen Zweifel mehr«, sagte Braig, »wir haben das Auto mit eindeutigen Spuren eines Aufpralls eines menschlichen Körpers entdeckt. Rössle ist noch dabei, es zu untersuchen.«
»Er hat uns informiert. Ich habe es schon an die Presse weitergegeben. Wie weit bist du?«
Er vermittelte ihr einen kurzen Überblick über den Stand seiner Ermittlungen, erhielt sofort ihre Zusage, bei der Befragung der Hundebesitzer zu helfen.
»Morgen früh«, erklärte sie, »ich bin dabei. Für heute ist es genug. Ich bekomme nichts mehr auf die Reihe.«
Braig bedankte sich für ihre Bereitschaft, fühlte sich zu müde, die Befragung jetzt noch zu beginnen, eilte mit großen Schritten die Straße entlang. Vielleicht konnten sie morgen früh von Frau Heller oder Frau Bachmann erfahren, wer die Hundebesitzer des Ortes waren und wo sie wohnten, um so schneller zu ihrem Adressatenkreis zu gelangen.
Er lief zum Bahnhof, wartete auf den Zug, nutzte die Gelegenheit, Ann-Katrin über seine Rückkehr zu informieren. Keine Reaktion. Er ließ es zwölfmal läuten, versuchte es erneut. Wieder vergeblich. Vielleicht hatte sie den Dienst beendet, war längst nach Hause gegangen. Er gab die Nummer ihres gemeinsamen Festnetz-Anschlusses ein, wartete darauf, ihre Stimme zu hören. Irgendwann meldete sich der Anrufbeantworter mit dem gewohnten Text.
»Annka«, sagte er, »wenn du zuhause bist, melde dich doch.« Er hielt das Handy noch eine Weile am Ohr, ohne Erfolg. Als er es endlich wegsteckte, fuhr die S-Bahn ein. Er überlegte fieberhaft, was mit seiner Freundin los war.
14. Kapitel
Braig lag lange wach in dieser Nacht. Als der Wecker kurz vor sieben Uhr läutete, schien es ihm, als ob er sich erst vor wenigen Minuten ins Bett gelegt hätte.
Ann-Katrin hatte bereits geschlafen, als er nach Hause gekommen war. Er wusste nicht, was mit ihr war, hatte den Tisch in der Küche sauber abgeräumt vorgefunden, sich zwei Brote mit Camembert belegt und ein Glas mit Gurken geöffnet, dazu Pfefferminztee getrunken. Anschließend hatte er ausgiebig mit seiner Mutter telefoniert, mehr als vierzig Minuten, wie ihm überrascht bei einem Blick auf seine Uhr klar geworden war, wenig Neues, kaum Wichtiges, überwiegend Belanglosigkeiten ausgetauscht. Sie war erst
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