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Schwaben-Gier

Schwaben-Gier

Titel: Schwaben-Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Produktionsbedingungen. Sie glauben nicht, wie vielen kleinen Unternehmen Sabine mit ihrem Konzept schon neue Überlebenschancen vermitteln konnte. Die Interessenten stehen Schlange, in ihre Arbeit aufgenommen zu werden.«
    Sie hatten den ersten Absatz des Hügels erklommen, sahen einen kleinen See mit einer hoch aufsteigenden Fontäne unter sich liegen.
    »Sabine kennt kein anderes Thema mehr. Ihre Arbeit ist ihr Leben. Sogar ihre Beziehung ist letztendlich an ihrem Eifer zerbrochen, weil alles andere hinten anstehen muss. Ihre Beweggründe sind biographischer Natur: Sie will anderen ersparen, was ihrem Vater geschehen ist.«
    »Er hatte ein kleines Unternehmen?«
    »Er produzierte Spätzle. Typisch schwäbische Spätzle.«
    »Und musste aufgeben.«
    Dorothee Mauser nickte. »Weil fast nur noch italienische Billignudeln verkauft werden. Er war ziemlich verbittert.«
    Sie hatten die von einem Friedhof gesäumte Walterichskirche erreicht, liefen an den Gräbern vorbei hügelan. »Sabines Arbeit rettet viele Arbeitsplätze«, sagte die Frau, »eigentlich sollte man glauben, dass sie nur Zustimmung erntet.«
    »Das tut sie nicht?«, fragte Braig skeptisch.
    »Ich wollte es auch nicht glauben«, antwortete sie.
    Sie überquerten eine schmale gewundene Straße, die den Friedhof an dieser Stelle teilte, stiegen weiter durch die Grabreihen in die Höhe.
    »Dort liegt es«, sagte Dorothee Mauser.
    Er folgte ihr zu einem offensichtlich noch frischen, mit einem naturbelassenen anthrazitfarbenen Stein ausgestatteten Grab, las die Inschrift.
    Helmut Layer
    1940-1995
    Susanne Layer geb. Bay
    1950-2005
    »Bei Susannes Beerdigung kamen wir darauf zu sprechen.«
    Er musterte die Vielzahl der Blumen und Pflanzen auf dem Grab, sah, wie seine Begleiterin ihren Blick in die Umgebung wandte, tat es ihr nach. Braig glaubte zu träumen. Das ganze Tal lag ihnen zu Füßen. Tausende im Frühlingskleid knospende und blühende Bäume, die Stadt mit ihren alten herrschaftlichen Villen auf den gegenüberliegenden Hängen, rote Dächer, in grüne Vegetation gebettet, die beiden Kirchen, terrassenförmig übereinander platziert. Darüber, wohin er auch sah, von dichtem Wald bewachsene Berge. So makaber es schien, an diesem von der Schönheit der Natur so verwöhnten Ort einen Friedhof zu errichten, es war eine der anmutigsten Begräbnisstätten, die er je erblickt hatte. Ein Stück heile Welt inmitten des Gedenkens an die Verstorbenen.
    »Sie genießen die Aussicht«, sagte die Frau.
    Braig hatte Mühe, sich vom Anblick der Umgebung zu lösen. »Ich kann es kaum fassen«, gab er zu, »es ist einmalig schön.«
    »Mir geht es genauso. Ich komme, sooft ich kann, hierher.«
    Er wandte sich wieder dem Grab zu, erinnerte sich an ihre letzten Worte. »Wer hat etwas gegen Frau Layers Arbeit?«
    Dorothee Mauser starrte versonnen auf die Inschrift, atmete kräftig durch. »Vielleicht liegt Murrhardt zu weit entfernt vom Trubel dieser Welt – ich habe jedenfalls immer noch Schwierigkeiten, vollkommen zu begreifen, was Sabine mir erzählte. Es geht um die Betriebe, die von ihrem Konzept profitieren. Sie existieren oft seit Generationen. Bäckereien, Metzgereien, Nudelmanufakturen – sie entstanden im Kern der Dörfer und Städte. In kleinen Häusern, in Anbauten, Ställen oder Garagen. Mittendrin, wo die Menschen leben. Nur wenige wurden an den Rand verlagert, als nach dem Krieg der große Bevölkerungszuwachs begann. Müssen ihre Besitzer aufgeben, sind sie längst über beide Ohren verschuldet. Sie haben alles versucht, Kredit auf Kredit erbettelt – am Ende bleibt ihnen oft nicht einmal ein Cent zum Leben. Sie müssen alles verkaufen, Haus, Hof, allen Besitz – so schnell als möglich.«
    »Ein trauriges Schicksal«, warf Braig ein, »aber es scheint immer mehr dieser kleinen Unternehmer zu drohen.«
    »Ja«, bestätigte die Frau, »darum geht es. Sabines Konzept vermag die Entwicklung nicht zu stoppen. Aber es kann die Anzahl dieser Unglücklichen wenigstens reduzieren. Und genau das darf nicht sein.«
    »Wie bitte?«, fragte Braig. Er sah eine Amsel leichtfüßig über den benachbarten Grabstein hüpfen, wandte sich Dorothee Mauser zu. »Wie soll ich das verstehen?«
    »Je größer die Zwangslage, in der sich diese über und über verschuldeten Unternehmen befinden, desto hektischer ihre Anstrengungen, Grund und Boden, allen Besitz möglichst schnell zu verkaufen. Da heißt es nur, den richtigen Moment abzuwarten und dann schnell

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