Schwaben-Gier
zulassen.« Er sah, wie sie deutlich erbleichte, dann heftig den Kopf schüttelte. »Woody ist ihr viel zu sehr ans Herz gewachsen.«
»Dann ist es gut, wenn wir miteinander reden.«
Sie nickte, fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Wenn ich daran denke, was Sabine mir bei der Beerdigung erzählte, wird mir ganz übel.«
»Bei welcher Beerdigung?«
»Ihre Mutter. Vor zwei Monaten.«
»Woran ist sie gestorben?«, fragte er. Hat auch dieser Tod mit dem Verschwinden Frau Layers und dem Mord an Marianne Kindler zu tun, arbeitete es in ihm. Wo führt das noch alles hin?
Eine Frau um die vierzig betrat den Laden, kam langsam auf sie zu.
Dorothee Mauser blickte auf, drehte sich zur Seite. »Oh, Martina, es ist gut, dass du kommst«, sagte sie, »darf ich vorstellen, meine Mitarbeiterin Martina Maier. Herr Braig von der Polizei.«
Er nickte der Frau freundlich zu, sah, wie sie hinter der Kasse Aufstellung nahm, um einem Kunden, der kurz hinter ihr in den Laden getreten war, Rede und Antwort zu stehen.
»Wären Sie einverstanden, ein paar Schritte an die frische Luft zu gehen?«, fragte Dorothee Mauser. »Ich komme sonst nur selten dazu. Und wir könnten ungestört miteinander reden.«
Braig willigte sofort ein, freute sich über den Vorschlag. Es gab wohl kaum eine angenehmere Umgebung für ein Gespräch als einen erwachenden Frühlingstag in dieser reizvollen kleinen Stadt. Er folgte der Buchhändlerin auf die Straße, sah, dass sie den Weg an der Stadtmauer vorbei in die Fußgängerzone einschlug.
»Sie wollten wissen, woran Sabines Mutter gestorben ist«, sagte die Frau.
Braig nickte, wartete auf die Antwort.
»Sie wurde von einem Auto angefahren. Bei einem Besuch in Ludwigsburg.«
»Wen besuchte sie? Ihre Tochter?«
»Ja, Sabine. Aber kurz, bevor sie sich trafen, wurde sie überfahren.«
»Dann kann es also einen Zusammenhang geben.« Der Satz war ihm herausgerutscht, noch ehe er genauer darüber nachgedacht hatte.
Dorothee Mauser bog in die Fußgängerzone ein, musterte ihn einen Moment. »Sie glauben, das war Absicht?«
»Ich glaube gar nichts. Ich weiß überhaupt nichts von Frau Layer. Erzählen Sie bitte weiter.«
Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, schien irritiert. Eine ältere Frau kam ihnen entgegen, grüßte sie. Die Buchhändlerin grüßte zurück, winkte ihr zu. Es dauerte eine Weile, bis sie weitersprach. Sie bogen um eine Ecke, passierten das mächtige Gebäude der Stadtkirche, erreichten die weitläufigen Wiesen des Stadtparks. Zwei Männer liefen an ihnen vorbei, grüßten.
»So habe ich das noch nie gesehen«, erklärte Dorothee Mauser.
»Was meinen Sie?«
»Dass es da einen Zusammenhang gibt. Mit Sabines Verschwinden.«
»Es ist mein Fehler. Ich habe zu voreilig reagiert. Vielleicht liegt es an meinem Beruf. Ich bin oft zu misstrauisch.«
Sie blieb einen Moment stehen, schaute nach oben. »Ich hoffe nur, dass das stimmt. Dass Sie sich täuschen.«
Er verharrte ebenfalls, betrachtete die Kirche auf dem Hügel über ihnen.
»Die Walterichskirche«, erklärte sie.
»Erzählen Sie weiter. Wer ist der Mann, der Sabine Layer bedroht?« Er ließ seinen Blick über die traumhaft grüne Umgebung streifen, folgte der Buchhändlerin auf dem leicht ansteigenden Weg.
»Sabine arbeitet seit über einem Jahr an ihrer Promotion. Um es deutlich zu sagen: Tag und Nacht. Die Arbeit ist ihr großer Traum. Sie versucht, kleinen, für unsere Region typischen Unternehmen neue Überlebenschancen zu vermitteln. Betriebe, die unter immer größerer Konkurrenz leiden und zugrunde zu gehen drohen. Familienunternehmen, bei denen alle mitarbeiten und die trotzdem auf keinen grünen Zweig kommen, weil Produkte aus anderen Ländern billiger sind. Sie hat ein geniales Konzept entwickelt, mit dem sie diesen Leuten hilft: Alle werden gemeinsam vom Land und den Tourismusverbänden gefördert und vermarktet. Die oft noch in Handarbeit oder mit einfachsten Maschinen erstellten Erzeugnisse von Weingärtnern, Bauern, Bäckereien oder Nudelmanufakturen müssen jetzt nicht mehr mit den Massenprodukten von riesigen Abfüllereien, Backfabriken oder italienischen Nudelkonzernen im Supermarktregal konkurrieren, sondern werden als in bester schwäbischer Familientradition hergestellte landestypische Unikate von besonderem Wert angeboten, deren Kauf zugleich Garant für den Erhalt vieler eigenständiger Arbeitsplätze darstellt. Inbegriffen ist die Vermittlung günstiger Kredite zur Verbesserung der
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