Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
hinter seiner Brille, entschuldigte sich hastig, hörte, wie er ihr in ungewohntem Dialekt Worte wie »in mei Rathaus neilosse« zuwarf, bog in eine kurze schmale Gasse, dann sofort wieder nach links. Zwei junge Mädchen traten aus einem Lokal, Pommestüten in der Hand, Kopfhörer auf den Ohren. Sie schrie laut auf, versuchte auszuweichen, prallte auf eine der schmalen, frühlingshaft – bauchnabelfrei gekleideten Gestalten, sah die Pommestüte vor sich auf das Pflaster fliegen. Sie hatte keine Kraft, sich zu entschuldigen, sprang an der klebrigen Masse vorbei. Das Mädchen brüllte in hysterischem Ton irgendwelche Verwünschungen hinter ihr her.
    Michaela König rannte um die Ecke, keuchte die Marktstraße hoch. Frauen und Männer kamen ihr entgegen, Taschen und Einkaufstüten in der Hand, starrten sie verwundert an. Ein Auto hielt, ein dicker stiernackiger Mann trat auf den Gehweg. Sie wich ihm aus, strauchelte. Der Schweiß lief ihr von der Stirn, rann über ihre Wangen, tropfte auf ihre Kleidung. Sie dürfen mich nicht schnappen, tobte es in ihr, es darf einfach nicht passieren, jetzt, wo ich das Material endlich habe.
    Für den Bruchteil einer Sekunde wurde ihr schwindelig; sie taumelte, glaubte, ihr Herz wollte aufhören zu schlagen. Sie blieb stehen, schnappte nach Luft, spürte, wie ihr ganzer Körper unter ihrem rasenden Puls vibrierte. Rechts von ihr ein kleines windschiefes Fachwerkhaus, vor ihr die Schaufenster einer Apotheke.
    Da hörte sie das Schreien hinter sich. Sie drehte sich um, sah Weidmann keine zehn Meter entfernt, eine durchnässte, allein an seinem Bart noch identifizierbare Gestalt unmittelbar im Rücken. Der Journalist winkte, gestikulierte, bedeutete ihr, alles zu tun, um dem Verbrecher zu entkommen. Frauen und Männer standen am Rand der steil ansteigenden Straße, gafften mit ungläubiger Miene auf die beiden Gestalten.
    Michaela König nahm alle Kraft zusammen, jagte weiter, an der Apotheke vorbei, steil die Straße hoch. Ihre Beine schmerzten, das Stechen in den Seiten war kaum mehr zu ertragen. Ihre Lungen schienen ausgelaugt, vollkommen unfähig, neue Luft zu schöpfen.
    Sie passierte eine Reinigung, dann einen Metzger, sah die Verkaufsstände eines Sportgeschäftes vor sich auf dem Gehweg. Links in Reih und Glied geparkte Autos, vor den Schaufenstern des Sportladens Trauben von jungen Leuten, Inlineskater auf ihre Tauglichkeit überprüfend.
    Sie wusste nicht, wie sie weiterkommen sollte, bemerkte eine Hofeinfahrt mit der geöffneten Haustür keine zwei Meter rechts von ihr. Plötzlich das Heulen von Sirenen. Sie näherten sich von oben, tönten laut und schrill. Polizei?
    Michaela König reagierte impulsiv. Sie hastete nach rechts in den Hof, warf sich an einer Frau vorbei ins Innere, knallte die Tür hinter sich ins Schloss, ließ sich vor Erschöpfung auf den Boden fallen, schnappte nach Luft. Ihr Herz klopfte, der Puls jagte. Draußen Geschrei, dann die Sirenen – wieder leiser werdend, sich deutlich entfernend. Also keine Hilfe!
    Sie lag immer noch auf dem Boden, als der Mann mit voller Wucht gegen die Tür trat. Erschrocken sah sie auf, erkannte die Fratze des Bärtigen durch das getönte Glas. Michaela König rappelte sich auf, sprang die gewundenen hölzernen Treppen hoch, klopfte an die erste Wohnungstür, neben der ein großer Zahn abgebildet war, rannte weiter, als sich nichts regte. Unten die wütenden Tritte des Verbrechers. Sie erklomm Stockwerk um Stockwerk, bat um Einlass, hörte das Splittern des Glases im Erdgeschoss, lautes Fluchen, das Trampeln schwerer Schritte. Sie hatte das oberste Stockwerk erreicht, sah ein Mädchen mit großen Augen vor der geöffneten Tür stehen.
    »Bitte«, flehte sie, »lassen Sie mich in die Wohnung. Die bringen mich um.« Sie hatte Mühe, die Worte aus sich herauszupressen.
    Das Mädchen verstand nicht, stand immer noch regungslos vor ihr. »Was ist das für ein Lärm?«
    »Bitte, in die Wohnung.« Sie sprang an ihr vorbei, schlug die Tür hinter sich zu, packte einen Stuhl, der in der Nähe stand, drückte ihn unter die Klinke.
    Draußen plötzlich lautes Schreien, eine Mädchen-, dann eine Männerstimme, wütendes Klopfen, Schläge, Tritte gegen die Tür.
    Michaela König packte einen weiteren Stuhl, verhakte ihn unter dem anderen, sprang dann durch die Diele ins Zimmer, das in zwei von hohen Fenstern begrenzten Erkern zur Straße hin auslief. Niemand außer ihr schien sich in der Wohnung aufzuhalten.
    Sie lief an eines der hohen

Weitere Kostenlose Bücher