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Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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es mir schon die Brille von der Nase. Das ist doch Arschkriecherei pur, Anbiederung der primitivsten Sorte. Jung, modern, in, cool. Gibt es denn überhaupt keine Grenzen des guten Geschmacks mehr?«
    »Ich weiß auch beim besten Willen nicht, wo Anknüpfungspunkte zwischen ihnen zu finden sein sollen«, fuhr er fort, »der eine war – jedenfalls so weit ich bisher ermitteln konnte – vollständig auf Radio und Unterhaltung konzentriert, der andere auf Zeitung und Politik. Zwei völlig verschiedene Berufsfelder. Dass beide unter der Bezeichnung Journalist geführt werden, zeigt nur die Vielschichtigkeit dieser Berufsgruppe.«
    »Du hast nochmals mit Leuten von der tageszeitung telefoniert?«
    Beck nickte. »Leider nichts Neues. Niemand weiß Konkretes über den Inhalt des Projektes, das er für eine der kommenden Samstags-Ausgaben angekündigt hatte. Es muss sich aber um eine wichtige und brisante Angelegenheit handeln, Nuhr hatte sich absolutes Stillschweigen ausbedungen. Im Übrigen gilt er als integrer Journalist und genießt vollstes Vertrauen und berufliche Anerkennung. Morgen früh werden zwei Redakteure bei uns hier vorsprechen. Neun Uhr habe ich vereinbart.«
    »Wie steht es mit seinen Eltern?«
    »Ich habe sie sofort erreicht. Sie leben in Gießen, gaben bereitwillig Auskunft, obwohl sie sich von seinem plötzlichen Tod verständlicherweise sehr geschockt zeigten. Ich benötigte mehrere Minuten, sie zu trösten. Harry war ihr einziges Kind. Er hat selbst mehrfach erwähnt, dass sein Beruf nicht ohne Gefahr sei, betonten sie unter Tränen. Ob er damit eine konkrete Bedrohung andeuten wollte, wussten sie nicht. Den Inhalt seiner jeweiligen Recherchen erfuhren sie erst, wenn sie seine Artikel lasen. Nuhr war seit mehreren Jahren geschieden, lebte in Berlin, war aber gerade dabei, nach Hamburg umzuziehen. Eine neue Stelle beim Stern, erklärten sie, übernächste Woche wollte er dort anfangen.«
    »Wussten sie, was er heute hier im Süden wollte?«, fragte Braig. Er war erschöpft und müde, spürte immer deutlicher die Anstrengungen des langen Tages.
    »Nein, wie erwähnt, von seinem beruflichen Alltag hatten sie keine Ahnung. Dass er Richtung Stuttgart gefahren war, erfuhren sie erst durch unseren Anruf. Mehr konnten sie mir beim besten Willen nicht sagen. Zum Glück habe ich anschließend sofort mit Redakteuren des Stern telefoniert.«
    »Und? Waren die über den Anlass seiner Reise informiert?«
    Beck wusste nicht, wie er die Frage des Kollegen beantworten sollte. »Informiert wäre zu viel gesagt. Noch arbeitet er nicht bei ihnen, erst übernächste Woche. Was sie mir aber sagen konnten, klingt interessant.«
    Braigs Neugier siegte über seine Erschöpfung. »Und? Was?«
    »Nuhr hatte ein Foto angekündigt, das eine in der Öffentlichkeit bekannte Person aus dem Südwesten entlarven sollte«, erklärte Beck, »er versprach sich sehr viel davon. Sozusagen als aufsehenerregenden Einstieg in die Redaktion des Stern. Vielleicht war das der Hintergrund zu seiner Tour in den Süden.«
    »Um wen es sich dabei handelt, wussten sie nicht?«
    Beck schüttelte den Kopf. »Er hatte nichts verraten, wollte seinen Anfang in Hamburg anscheinend besonders effektvoll gestalten. Ich musste aufpassen, dass ich mich nicht verplapperte, tat so, als wüssten wir ebenfalls nichts.«
    Der Minister. Braig hatte Beck die Fotos kurz gezeigt, ihn um absolutes Stillschweigen gebeten. Der Minister, die in der Öffentlichkeit bekannte Person aus dem Südwesten. Wer sonst? Entlarven war der richtige Ausdruck. Erschien eines der Fotos oder gar die ganze Serie im Stern oder kamen sie sonst irgendwie an die Öffentlichkeit, war es um die Karriere des Politikers schlecht bestellt. Sehr schlecht. Sie war beendet. Für immer.
    Wer, wenn nicht der Minister, hatte ein alle Grenzen sprengendes Interesse, Nuhrs Pläne zu vereiteln?

6. Kapitel
    Michaela König hatte es nicht nötig, warten zu müssen. Sie war eine auffallend hübsche Frau Mitte Dreißig mit üppigen dunkelblonden Haaren, die ihr in feinen Locken bis auf die Schulter reichten. Lebendige blaue Augen prägten ihr dezent geschminktes, schmales Gesicht. Über einer weißen Bluse trug sie eine vornehme, dunkle Samtjacke, die an den Ärmeln mit kleinen schwarzen Knöpfen besetzt war. Ihre langen schlanken Beine steckten in einer ausgewaschenen Jeans.
    Hielt sie als Dozentin der germanistischen Fakultät eine ihrer begehrten Vorlesungen im Kupferbau, waren die Sitzreihen des großen

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