Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
Vom Netzwerk:
Mädchen.
    »Du wolltest wohl einen neuen Rekord aufstellen heute«, versuchte Michaela König zu scherzen, »ich bin bei meinem fünften Glas Trollinger.« Sie betrachtete die Neuangekommene, rückte zur Seite, um ihr Platz zu machen.
    Verena Litsche ließ sich auf das harte Holz fallen, schob sich fahrig die Haare aus der Stirn.
    »Ich, ich …« Sie stotterte, schnappte nach Luft.
    »Du arbeitest zu viel.«
    »Nein, das ist es nicht. Das heißt …«
    »Wir haben uns drei Wochen nicht gesehen, weil du keine Zeit hattest«, meinte Michaela König, »es lag nicht an einem neuen Projekt?«
    Verena Litsche atmete tief durch, lehnte sich zurück. »Ja, du hast Recht. Ich stecke total im Stress. Immer noch das alte Projekt.« Sie drehte den Kopf nach allen Seiten, schaute sich forschend um. »Aber die Arbeit …«
    »Ja?«
    Sie fuhr sich erneut mit der Hand über die Haare, starrte durch den Menschenknäuel zur Eingangstür, die offen stand. Das Plätschern des Ammerkanals direkt vor dem Lokal war kaum zu hören.
    »Die Arbeit ist nicht der Grund für meine Verspätung.«
    Zwei Frauen betraten die Wirtschaft, schlossen die Tür.
    Litsche blickte Michaela König ins Gesicht. »Es tut mir wirklich Leid. Ich wollte nicht unverschämt sein.«
    »Was hat dich aufgehalten?«
    Eine junge Bedienung erschien, nahm ihre Wünsche auf, lief zum Nachbartisch.
    »Ich, also, ich …« Verena Litsche neigte den Kopf, beugte sich zu ihrer Freundin vor.
    »Du bist nervös.«
    »Ich werde verfolgt.«
    »Wie bitte?« Michaela König schob die brennende Kerze, die vor ihr auf dem Tisch stand, zur Seite. Die Falten auf ihrer Stirn brachten ihre Überraschung zum Ausdruck.
    »Du hast richtig verstanden. Ich werde verfolgt.« Verena Litsche sah sich mit unruhigen Augen um, betrachtete misstrauisch die beiden Männer am Nachbartisch.
    »Von wem?«
    »Das ist eine lange Sache.« Sie fuhr sich nervös durch die Haare, zappelte mit den Beinen. »Ich wollte es selbst nicht glauben. Bisher dachte ich, es sei Einbildung. Aber seit heute Mittag weiß ich, dass sie es ernst meinen. Die Typen sind hinter mir her. Sie hören mein Telefon ab, seit Wochen schon. Ich wunderte mich, warum die Verbindungen so oft unterbrochen wurden. Jetzt ist mir alles klar. Sie verfolgen mich auf Schritt und Tritt.«
    Sie senkte ihre Stimme noch weiter, lehnte sich an die Wand zurück, als die junge Bedienung wiederkam und ein Bier brachte. Sie nickte der Frau flüchtig zu, trank hastig. Michaela König betrachtete sie schweigend.
    »Sie waren vor dem Haus, auf der Straße. Deshalb bin ich so spät.«
    »Wer war auf der Straße?«
    Sie konnte es im Gesicht der Freundin lesen, dass diese ihr nicht glaubte.
    »Zwei Typen. In einem Auto, einem dunklen BMW. Sie beobachteten unser Haus.«
    »Jetzt? Um diese Zeit?«
    »Gestern ebenfalls. Ich habe nicht auf sie geachtet. Vorhin fiel es mir wieder ein, als ich sie sah. Dieselben Typen wie gestern. Keine zwanzig Meter von meiner Wohnung weg. Am Ende der Straße, wo keine Häuser stehen. Sie saßen im Auto und starrten auf meine Haustür. Ich sah es deutlich, von oben aus der Wohnung.«
    »Du bist dir wirklich sicher?«
    Verena Litsche hielt das Glas noch immer in der Hand, trank es vollends aus. »Seit heute, ja. Hast du Nachrichten gehört oder gesehen?«
    Ihre Freundin verstand nicht. »Wann?«
    »Irgendwann heute Abend.«
    »Im Radio, ja.«
    »Der Mord in Winnenden, du erinnerst dich?«
    Michaela König trank ihr Glas leer, nickte. »Ein Journalist wurde getötet.«
    »Der Anschlag galt mir.«
    »Dir?« Die Dozentin starrte sie ungläubig an. »Was hat das mit dir zu tun?«
    »Ich saß mit Harry Nuhr, dem getöteten Journalisten, vor dem Café. Dass ich noch lebe, ist ein Wunder. Du hast ihre Suchmeldung, in der sie nach mir fahnden, nicht gehört?«
    »Nach dir?« Michaela König hatte Mühe, Verena Litsches Worten zu folgen. Sie bemühte sich, die Nachrichten zu erinnern, betrachtete ihre Gesprächspartnerin. Mit der Verena Litsche, die sie seit Jahren kannte und mit der sie sich in einigermaßen regelmäßigen Abständen traf, hatte die Frau, nach der sie suchten, nichts, aber auch gar nichts zu tun. Bei der Person, die sie in dem Fahndungsaufruf beschrieben hatten, handelte es sich um eine verhärmte, knochige Gestalt mit schmierigen Haarsträhnen, unvorteilhaft zurechtgemacht, mit unstetem, ängstlichem Blick, fünfzehn bis zwanzig Jahre älter als die Frau, die sie als ihre Freundin in Erinnerung hatte – aber verblüffend

Weitere Kostenlose Bücher